Der Teufelsfürst
Magen, sich zu setzen.
Kapitel 29
Augsburg, ein Stadthaus, April 1447
»Wenn der gegenwärtige Michel, Graf der Zigeuner, diesen Brief vorweisend, mitsamt seinen anderen Gesellen in unsere und des Heiligen Reiches Länder und unsere anderen Fürstentümer kommen wird, begehren wir von euch, den Untertanen unserer Reiche, mit besonderem Nachdruck gütlich und ernstlich gebietend, daß ihr eben diesen Michel mitsamt seiner Gesellschaft durch euer und unser Land sicher und ungehindert ziehen, auch sie für ihr Geld all ihre Notdurft kaufen und erwerben laßt und sie nicht zu Unrecht beschwert noch es jemand anderem zu tun gestattet … Auf diese Weise tut ihr uns einen guten Gefallen.«
Der Augsburger Kaufmann und Ratsherr, der Michel und seinen Bediensteten ein Haus zur Verfügung gestellt hatte, gab den Geleitbrief mit einem breiten Grinsen zurück, nachdem er ihn salbungsvoll vorgetragen hatte. »Wisst Ihr, ich frage mich jedes Mal, ob der Wisch echt ist. Die neuen Ratsmitglieder sind jedenfalls immer wieder davon beeindruckt. Eure Leute vor den Mauern erhalten Kohlen, Stroh, Heu, ein Fass Bier, Brot, vier Hammelkeulen und 10 Gulden.« Er griff in die Tasche und warf einen Beutel auf den Tisch. »Ihr selbst bekommt 40 Gulden als Almosen.« Er lachte meckernd.
»Obwohl man das wohl kaum mehr als ein Almosen bezeichnen kann. Ganz schön einträglich, dieser Geleitbrief. Wie viele Doppel habt Ihr eigentlich?« Ein verschlagener Ausdruck trat auf sein feistes Gesicht, als der Zigeuner mit hochmütiger Miene nach dem Dokument griff und es in seinem Wams verstaute. »Wie habt Ihr den König …?« Der Augsburger brach den Satz ab, als er Zorn in den Augen seines Gastes aufziehen sah. »Schwamm drüber«, sagte er hastig und zog mit dem Fuß einen Stuhl heran, auf den er sich fallen ließ.
»Also, was gibt es Neues, das Ihr mir mitteilen könnt?«, fragte er und warf Zehra einen misstrauischen Blick zu, als diese mit Papier, Tinte und einem Federkiel aus dem Hintergrund in die Mitte des Raumes trat. »Was tut das Mädchen hier? Es soll verschwinden!« Michel zuckte die Achseln und versetzte gelassen: »Das Mädchen ist mein Schreiber. Alles, was wir vereinbaren, wird ab heute schriftlich festgehalten.« Jetzt war es an ihm, den anderen mit einem schiefen Lächeln zu bedenken. »Nachdem Ihr mich bei unserem letzten Geschäft um ein Viertel meines Anteils geprellt habt, traue ich Euch nicht mehr weiter als Ihr einem meiner Kesselflicker.« Als sein Gegenüber sich empört aufblasen wollte, winkte der durch den Geleitbrief zum Grafen degradierte Herzog ab.
»Tut nicht so scheinheilig. Wir wissen beide, dass Ihr jeden, mit dem Ihr Geschäfte macht, übervorteilt. Wie sonst hättet Ihr es so schnell zu so ansehnlichem Reichtum gebracht?«
Der Handelsherr schnaubte, brummte aber schließlich versöhnlich: »Wir sollten uns nicht streiten. Wegen mir könnt Ihr aufschreiben, was Ihr wollt. Auch wenn unter Ehrenmännern eigentlich ein Handschlag genügt.« »Sicher, sicher«, erwiderte Michel und ließ sich ebenfalls an dem Tisch nieder, auf dem sich die Überreste eines wahren Festessens stapelten.
Während er den Augsburger kritisch ins Auge fasste, spielte er mit einem halb leeren Weinkelch, mit dem er klebrige Ringe auf das Holz malte. »Was wisst Ihr von der Konkurrenz?«, fragte der Kaufmann schließlich. »Was treiben die Fugger und die Welser, die Höchstetter und die Imhoff? Was für neue Faktoreien sind geplant, und wer spricht mit wem die Preise ab?« Michel zupfte an seinem Ohrläppchen und dachte eine Weile nach, ehe er die Fragen beantwortete.
Da es während des Gespräches noch nichts festzuhalten gab, schlug Zehra den Blick nieder und lauschte einige Zeit lang den Informationen, welche der Herzog an den Augsburger verkaufte. Irgendwann wurde sie jedoch von all den Einzelheiten über Ballengrößen, Zölle, Tratten, Wechsel und so vieles andere müde und richtete ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Dinge, welche vor ihr auf dem Tisch lagen: Papier, Federkiele, Tinte und ein Säckchen Sand. Froh darüber, dass die Männer ihr keine Beachtung schenkten, zog sie mit spitzen Fingern ein Stück des teuren, geprägten Papiers aus dem kleinen Stapel und ließ es so unauffällig wie möglich in ihren Schoß fallen. Weil außer ihr, Herzog Michel und dem Kaufmann nur noch der Laufbursche des Zigeuners anwesend war, bemerkte niemand den Diebstahl. Wenn sie in dieser Nacht tatsächlich in dem Stadthaus übernachten
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