Der Teufelsfürst
Vater und meine Großmutter belauscht«, begann Sophia mit dem, was ihr am leichtesten fiel. »Bereust du, was du getan hast?«, fragte der Pater. »Ja, ich bereue«, flüsterte Sophia. »Dann sprich zehn Vaterunser zur Buße und stifte eine Kerze für den Altar«, beschied der Priester. »War das alles?« Sophia schluckte erneut. »Nein«, gestand sie mit wild klopfendem Herzen. »Aber ich will kein falsches Zeugnis wider meinen Nächsten ablegen.« Der Kirchenmann räusperte sich. »Gestehe dem Herrn, was dir auf der Seele brennt, und er wird dir vergeben.« Sophia presste die Stirn gegen das engmaschige Holzgitter und holte tief Luft. »Ich habe Kenntnis von einem Unrecht und habe es nicht angezeigt.« Durch das Gitter vermeinte sie zu sehen, dass sich das undeutliche Gesicht des Paters verzog. »Bereust du …«, hub er an, aber Sophia fiel ihm ins Wort. »Meine Großmutter ist eine Hexe!«, platzte es aus ihr heraus. Einen Augenblick lang herrschte Totenstille im Beichtstuhl, dann vernahm Sophia das Rascheln von Stoff. Oh, mein Gott, was habe ich getan, dachte sie voller Panik und sprang von der Kniebank auf. Wenn er mich erkennt, ist alles vorbei! Heilige Mutter Gottes, hilf mir! Am ganzen Körper bebend, schob sie den Vorhang beiseite, stolperte das kleine Treppchen hinab und ergriff die Flucht. »Bleib hier!«, hörte sie den Priester rufen. Doch die Angst, die sich jeder Faser ihres Körpers bemächtigte, verlieh ihr Flügel. Wie von Furien gehetzt, bahnte sie sich rüde einen Weg durch die anderen Gläubigen, rannte auf die Turmhalle zu, hinaus ins Freie. Dort wandte sie sich kopflos nach rechts, hastete über den Platz vor der Bühne für das Osterspiel und wäre um ein Haar mit ihren beiden bewaffneten Begleitern zusammengestoßen. Diese hatten es sich bei einer Tonne bequem gemacht, in der ein kleines Feuerchen tanzte. Als sie die Tochter ihres Herrn erblickten, ließen sie hastig die Spielwürfel in den Taschen verschwinden und setzten grimmige Mienen auf. »Gehen wir!«, stieß Sophia hervor und ignorierte den säuerlichen Blick, den einer ihrer Bewacher ihr zuwarf. Ohne auf eine Reaktion der Männer zu warten, zog sie sich das Tuch über den Kopf und eilte in Richtung Hirschstraße davon. Fort von hier, war der einzige Gedanke, den zu fassen sie fähig war. Sie lief so schnell, dass sie mehrmals beinahe über ihre eigenen Füße gefallen wäre. Als endlich das Haus ihres Vaters in Sicht kam, war sie außer Atem und erhitzt. Wie vom Leibhaftigen gejagt, floh sie hinauf in den ersten Stock, ohne ein Wort der Erklärung an Ihre Begleiter zu richten. Dort verriegelte sie die Tür ihrer Kammer, fiel vor dem kleinen Hausaltar auf die Knie und flehte Gott um Vergebung an. Warum hatte sie nur den Mund nicht halten können? Durch ihre Dummheit hatte sie sich jetzt nicht nur um die Lossprechung gebracht. Sie konnte auch am Ostersonntag unmöglich zur Speisenweihe vor den Priester treten! Den Priester, vor dem sie gerade davongelaufen war!
Sie stöhnte und vergrub das Gesicht in den Händen. Was sollte sie nur tun?
Kapitel 28
Zwischen Ulm und Heidenheim, April 1447
Ulrich von Helfenstein war nicht nur wütend. Er kochte vor Zorn. Mit fest aufeinandergepressten Zähnen preschte er an der Donau entlang in Richtung Niederstotzingen, von wo aus er sich nach Norden wenden würde, um nach Durchreiten des Lonetals und des Eselsburger Tals schließlich seine Festung in Heidenheim zu erreichen. Das Zwitschern der Vögel klang wie Spott in seinen Ohren. Nicht einmal der azurblaue Himmel und die Blütenpracht um ihn herum konnten seine Laune aufhellen. Blind für das frische Grün des Grases und die Farbtupfer, welche Wiesen und Weiden auflockerten, donnerte er mit seinem Gefolge an Gehöften und Dörfern vorbei, ohne sie zu sehen. Als ihm eine Fliege zwischen die Lippen kam, spuckte er sie angeekelt aus und verwünschte den Tag.
Ganze 10 Gulden hatte ihm der verdammte kleine Schacherer für den Hengst nachgelassen. Lumpige, läppische 10 Gulden!
Was konnte er denn dafür, wenn dessen dumme Gans von Schwester im Fluss ertrunken war? Wie er dieses gierige Städterpack hasste! Er stieß einen Fluch aus und lenkte seinen überteuerten Apfelschimmel geschickt an einer Wagengabel vorbei, die gefährlich weit in den Weg ragte. Das fehlte ihm noch, dass sich das Tier einen Lauf brach! Während die Landschaft an ihm vorbeiflog, malte er sich aus, was er mit dem überheblichen Burschen anfangen würde, wenn er sich nicht feige
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