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Der Teufelskeiler

Der Teufelskeiler

Titel: Der Teufelskeiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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durch die Reihen kämpfte, war ich schon ziemlich außer Atem.
Durch das Feld ging es langsamer voran als auf dem Weg, aber ich dachte, ich hätte eine bessere Chance, es zu schaffen, wenn mich Old Satan nicht im Mondschein ausmachen könnte. Hier musste er mich suchen.
Ich hatte das Zuckerrohr hinter mir, war schon im Mais und stieß die Ähren unbeholfen beiseite, als ich das Geräusch hörte. Oder glaubte, es zu hören.
Sicher konnte ich nicht sein, so wie ich keuchte und dazu der Wind blies. Vielleicht hatte ich es mir nur eingebildet. Aber es klang, als würde sich hinter mir etwas durch das Zuckerrohr und den Mais drängen.
Ich blieb nicht stehen, um zu lauschen und mich zu vergewissern. Ich hatte zu viel Angst, ich könnte recht haben und dann wertvolle Zeit verlieren.
Das Maisfeld schien kein Ende zu nehmen, und die langen, grünen Blätter bewegten sich, als streckten sie sich, um mich zu packen. Als steckten sie mit Old Satan unter einer Decke und wollten mich festhalten, bis er da war.
Obwohl ich nicht daran denken wollte, kamen mir alle möglichen schrecklichen Sachen über Schweine in den Sinn. Als ich fünf oder sechs war, hatte ich die Geschichte von Old Man Simpson gehört. Wie sein Herz versagt hatte, als er gerade die Schweine fütterte. Bis man ihn fand, hatten ihn die Viecher schon bis auf die Knochen abgenagt.
Ich malte mir aus, Mama und Ike würden mich suchen und hier im Maisfeld nur noch ein paar Kleiderfetzen, die .22er und einen Haufen Knochen finden.
Diese Gedanken machten meine Beine schwer wie Blei. Ich stürzte aus dem Maisfeld heraus und hastete auf die Anhöhe hinauf, fiel einmal aufs Knie und riss mir ein Loch in die Latzhose. Aber meine .22er ließ ich nicht los. Mein Griff war so fest, dass mir schon die Hand wehtat.
Als ich anfing, geduckt über die Lichtung auf unser Haus zuzurennen, war ich mir ganz sicher, dass Old Satan hinter mir aus dem Mais hervorbrach und sich seinen Weg die Anhöhe hinauf bahnte.
Das Laternenlicht, das aus einem der Fenster unserer Scheune drang, war mir noch nie so einladend erschienen.
Als ich die Lichtung halb hinter mir hatte, schienen die Worte wie von selbst aus mir herauszuhüpfen, ohne dass ich viel dazu hätte tun müssen. »Mama, Mama!«
Die Tür öffnete sich, Licht fiel nach draußen. Dann sah ich Mama. Sie hielt Papas alte Winchester in den Händen. »Mama!«, schrie ich. »Er darf mich nicht kriegen!«
Sie beugte sich vor und blickte in die Dunkelheit hinter mir. Im nächsten Augenblick war ich schon neben ihr, drehte mich um und richtete meine .22er auf ... nichts.
Da waren nur die Nacht und der Wind.
Ich musste lachen. Verdammt will ich sein, wenn ich wusste, was so komisch war, aber ich musste einfach lachen. Old Satan hatte mich nicht verfolgt, nachdem er Roger umgebracht hatte. Mein dummer Kopf hatte mir einen Streich gespielt.
»Richard«, sagte Mama, »was ist denn los, mein Junge?«
»Nichts«, sagte ich und lachte immer noch wie ein Idiot. »Nich...«
In dem Moment schoss eine Gestalt aus der Dunkelheit wie ein fester, rollender Schatten mit zwei glühenden Kohlen in der Mitte blitzschnell quer über die Lichtung auf uns zu.
»Old Satan!«, schrie ich.
Mama und ich hoben unsere Gewehre und drückten ab. Dann stieß mich Mama nach drinnen, knallte die Tür zu und warf den Riegel vor.
Zur gleichen Zeit fingen die Hunde an zu knurren und zu bellen. Ich konnte hören, wie sie unterm Haus hervorkamen. Dann jaulten und winselten sie noch eine Zeit lang, bis plötzlich Stille herrschte.
Ich begann zu zittern. Mir war klar, Old Satan war auf die Hunde los und hatte sie wahrscheinlich schneller getötet, als man seinen Namen aussprechen konnte.
Mit zitternder Hand zog ich eine Patrone aus meiner Tasche und schaffte es, die .22er zu laden, ohne sie fallen zu lassen. Ike kam aus dem hinteren Zimmer. Seine Augen waren groß wie Dattelpflaumen. Er wollte etwas sagen.
»Pssst!«, warnte ihn Mama.
Ike sah mich an. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und formte mit den Lippen die Worte: »Alles in Ordnung.«
Ziemlich lange blieben wir so stehen. Die Stille wurde nur durchbrochen, als Mama eine neue Patrone in die Winchester einlegte und dann an die Tür ging, um zu lauschen. Sie legte ein Ohr an die Tür, und ich sah sie fragend an. Sie zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf.
»Vielleicht ist er weg«, sagte ich schließlich. »Wer?«, fragte Ike.
»Old Satan.«
»Pssst!«, flüsterte Mama. Sie lauschte immer noch an der Tür.

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