Der Teufelskeiler
Mindestens fünf Minuten stand sie so da. Endlich richtete sie sich seufzend auf und drehte sich lächelnd zu uns um. »Ich glaube, er ist weg«, sagte sie leise. In diesem Augenblick zersplitterte eine der Türbohlen. Mama schrie auf und wirbelte von der Tür weg. Entsetzt riss ich die .22er hoch und traf mit dem Lauf die von der Decke hängende Lampe. Sie schwang hin und her, dass das Zimmer zwischen Licht und Schatten zu torkeln schien.
Die Bohle krachte erneut, und diesmal bohrte sich eine lange, lederne, schwarze Schnauze durch die Tür, auf die Mama sofort die Winchester abfeuerte.
Man hörte ein lautes Grunzen, das eher wütend als schmerzhaft klang, dann verschwand die Schnauze.
Mama wich bis zum Tisch zurück, um sich anzulehnen. Sie ließ das Gewehr fallen und brach zusammen. Bis wir bei ihr waren, hatte sie sich auf einen Ellbogen gestützt. »Das Baby!«, keuchte sie. »Das Baby!«
Sie rollte sich auf den Rücken und legte sich eine Hand auf den Bauch. »Das kommt alles in Ordnung, Mama«, sagte ich. »Bestimmt. Wir bringen dich auf der Stelle zu Doc Travis.«
»Old Satan«, sagte sie.
»Der ist weg. Dem hast du's richtig gegeben«, beruhigte ich sie.
In Wahrheit war ich mir da nicht so sicher.
DREIZEHN
Mir war klar, dass ich Mama in die Stadt zu Doc Travis bringen musste, und dafür musste ich unser Fuhrwerk anspannen. Das hieß, in die Scheune rausgehen. Worauf ich nicht eben besonders scharf war. Aber mir blieb nichts anderes übrig.
In der Hütte roch es immer noch nach Old Satan, und obwohl er nur seine Schnauze ins Zimmer gesteckt hatte, haftete sein Gestank im Innern wie Sirup an einem Küchenbrett.
»Ike«, sagte ich, »hol einen Lappen und feuchte ihn an. Leg ihn Mama auf die Stirn.«
In Mamas Gesicht perlte schon der Schweiß, und man brauchte keinen Arzt, um zu erkennen, dass sie heftige Schmerzen hatte.
Ich schnappte mir die Winchester, ging zur Tür und spähte durch das Loch, das Old Satan hineingeschlagen hatte.
Ich hatte Angst, dass sich jeden Moment seine Schnauze mit den großen, im Licht der Lampe schimmernden, scharfen Hauern durchbohren würde, oder, schlimmer noch, dass ich genau in eines seiner großen, roten Augen blicken würde.
Aber jetzt, da die Lampe zu schwingen aufgehört hatte, fühlte ich mich wieder ein wenig tapferer. Um die Nerven zu stählen, gibt es nichts Besseres, als gutes, helles Licht, sagte Papa immer.
»Irgendwas zu sehen?«, fragte Ike.
Ich drehte den Kopf. Er war über Mama gebeugt und tupfte ihr mit einem feuchten Lappen die Stirn ab. Mama hatte die Augen geschlossen und atmete schwer.
»Nichts«, antwortete ich. »Aber das heißt nicht unbedingt, dass er fort ist.«
»Sie ist heiß«, sagte Ike. »Richtig heiß, als ob sie in Flammen stehen würde.«
»Wir müssen sie zum Arzt bringen. Pass mal auf, ich gehe raus in die Scheune ...«
»Das kannst du doch nicht machen!«
»Ich muss. Jetzt halt die Klappe und hör zu, Ike. Ich gehe raus in die Scheune. Ich nehme die Winchester mit, falls ich ihm begegne. Ich klettere durch das Fenster über der Spüle. Dann brauche ich die Tür nicht aufzumachen, und Old Satan kann nicht reinkommen. Ich glaube, das Fenster ist zu hoch für ihn. Außerdem ist er zu fett. Aber wenn ich draußen bin, machst du das Fenster zu und legst den Riegel vor.«
»Und wie kommst du dann wieder rein?«
»Wenn ich das Fuhrwerk hole, brauche ich nicht mehr rein. Ich fahr bis direkt an die Tür, und wir laden Mama hinten drauf. Wenn du es ihr ein bisschen bequem gemacht hast, holst du ein paar Kissen und Decken. Bereite alles vor, damit wir ihr ein Bett herrichten können.«
»Ich kann schneller rennen als du. Lass mich gehen.«
»Ja, aber du kannst den Wagen nicht schneller anspannen als ich, oder?«
Ike schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht.«
»Alles klar dann. Tu, was ich dir gesagt habe. Schließ die Fenster und hol die Decken.«
Ike nickte.
Ich atmete tief durch, schluckte, kletterte auf die Spüle, entriegelte das Fenster und klappte die Läden zurück. Alles, was ich sehen konnte, waren die Nacht und der Wald, und hoch droben die Sterne und ein kleiner Teil vom Mond.
Draußen war es ruhig. Nur ein paar Frösche quakten, und einige Grillen spielten ihr Nachtkonzert. In der Ferne hörte ich irgendeinen Schrei, wahrscheinlich ein Vogel.
Der Wind hatte nachgelassen, war aber immer noch stark genug, um mir die Haare zu zerraufen und den Mais und das Zuckerrohr auf den Feldern rascheln zu lassen.
»Sieht gut aus«, sagte
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