Der teuflische Lord (German Edition)
sollte er sonst noch sagen, um den ersten schlechten Eindruck aus dem Gedächtnis der Maid zu löschen? Mit seinen Flüchen hatte er sich schon lächerlich gemacht. Mit einer Entschuldigung würde sich daran wohl kaum etwas ändern.
Außerdem machte die Lady jetzt, da ihre Füße den Boden berührten, einen vorsichtigen Schritt nach hinten, weg von ihm und seinem groben Verhalten. Er konnte Angst in ihrer Miene erkennen, und das machte die Sache nicht besser. Darum bemühte sich Waldo um einen freundlichen Gesichtsausdruck.
Anouk blickte auf den riesigen Mann, der fast wie ein Wilder aussah mit seinem struppigen Bart und der überwältigenden Gestalt. Obwohl er zuvor so gottlos geflucht hatte, wirkte er nicht - oder nicht mehr – wütend, und das machte ihr mehr Angst als seine zuvor geäußerten Schimpfworte. Wenn sie nur besser in seinem Gesicht lesen könnte, dann würde sie vielleicht dahinterkommen, ob er ihr ihr Geheimnis gleich entreißen wollte oder sie lieber umbrachte. Über die zweite Möglichkeit könnte sie sich vielleicht gleich Gewissheit verschaffen.
„Seid Ihr jetzt besserer Laune?“ Mit dieser Frage wollte Anouk mehr über ihr unmittelbares Schicksal in Erfahrung bringen. Hatte er doch in Aussicht gestellt, dass er sie erwürgen wollte, sobald er besserer Laune wäre! Somit konnte man ihre Zukunft als verplant ansehen. Den Hünen nicht mehr fluchen zu hören drängte ihr diese Erkenntnis auf.
Waldo Danber bestätigte diese zögerliche Frage mit einem Nicken, wodurch die Blässe der Frau verstärkt wurde ebenso wie ihr Zittern. Doch der Lord bezog das nicht auf sich oder sein Verhalten. Er nahm an, dass beides die Folge von Erschöpfung und Kälte war. Und dagegen konnte er etwas unternehmen. Er würde die Lady erst einmal in eine warme Kammer führen, in seine warme Kammer!
„Folgt mir in meine Räume, Mylady. Dort brennt sicherlich ein wärmendes Feuer und es ist gemütlicher.“
Anouk zuckte zusammen und wich noch ein wenig mehr vor ihm oder auch vor seiner auffordernd ausgestreckten Hand zurück. Ganz offensichtlich brauchte dieser Bär von einem Mann eine angenehme Atmosphäre, um sich an der Erwürgung einer Gefangenen zu erfreuen. Sie hoffte und betete stumm, dass dieser Tat keine lange Folter vorausgehen möge. Was wenig wahrscheinlich war, da ihr Bewacher immer ruhiger und höflicher wurde. Da konnte sie wohl nicht auf ein schnelles Ende hoffen.
Seltsamerweise hatte er sie bisher noch nicht nach ihrem Geheimnis gefragt, was Anouk so gar nicht verstand. Warum sollte er sie sonst gefangen nehmen, wenn doch das eigentliche Ziel noch frei war.
Vielleicht war das der Punkt, an dem sie falsch lag, überlegte Anouk, und die daraus folgende Erkenntnis war niederschmetternd. Es gab kein Geheimnis mehr, das sie bewahren musste, weil dieses Geheimnis längst aufgedeckt war. Somit war sie für ihre Häscher jetzt auch nutzlos geworden.
Mit Folter bräuchte sich dieser Bär von einem Mann also gar nicht aufzuhalten, er könnte sich gleich dem Vergnügen des Tötens hingeben. Unbemerkt liefen Anouk Tränen über die Wange. Ihr armes Lämmchen hatte sich nicht in Sicherheit bringen können. Und sie selbst konnte ihr jetzt auch nicht mehr zur Seite stehen, da ihr Ende bereits unmittelbar bevor stand. Vielleicht sollte sie froh darüber sein, nicht mit ansehen zu müssen, welches Leid ihr Schützling in der Gewalt des Teufels erdulden musste.
Dass die Lady, die er dort draußen im Schnee gefunden hatte, ihm willig in seine Räume folgte, brachte Waldo zu der irrigen Annahme, dass er mit seiner freundlichen Geste, ihr einen Platz an seinem Feuer anzubieten, den richtigen Vorschlag gemacht hatte. Zwar fand er es übertrieben, aus Dankbarkeit gleich in Tränen auszubrechen, aber was wusste er schon davon, wie die Gefühlswelt einer Frau funktionierte.
Sollte er vielleicht seine Großzügigkeit noch ausdehnen und ihr anbieten, eine Nachricht an die zu schicken, die sie wahrscheinlich schon vermissten? Eine dumme Frage, die er sich da stellte, da die Höflichkeit genau dieses Verhalten voraussetzte. Ihrer Familie, einem Gemahl und den Kindern mitzuteilen, wo sich ihre Frau und Mutter aufhielt, war eindeutig ein Muss.
Das war allerdings ein Gedanke, der Waldo nicht besonders gefiel. Denn wenn sich wirklich eine solche Familienkonstellation herausstellen sollte, konnte er seine Hoffnungen zu Grabe tragen, sich länger an diesen veilchenblauen Augen zu erfreuen.
„Möchtet Ihr nicht ablegen, soll
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