Der teuflische Lord (German Edition)
anzusprechen, das sollte doch nicht allzu schwierig sein. Beides kannte er immer noch nicht. Doch dieses Versäumnis nachzuholen war im Augenblick kaum möglich.
Einerseits war er immer noch stinksauer darüber, dass die Maid vorhatte, einen anderen Ritter zu küssen. Andererseits war er immer noch zu begierig darauf, sein gescholtenes Tun zu wiederholen.
* * *
Anouk konnte von Glück sagen, dass es ihr gelungen war, ihr nahes Ende noch abzuwenden. Allerdings war es dieses Mal verdammt knapp gewesen. Dem Ritter im Anfangsstadium seines Erstickungsversuches Einhalt zu gebieten hatte ihre ganze Phantasie gefordert.
Wie hätte sie auch nur ahnen können, dass dieser muskelbepackte Bär sein Opfer, also sie, dadurch vom Leben zum Tod befördern wollte, indem er ihr mit einem Kuss die Luft zum Atmen raubte? Auf so eine Idee wäre sie nie gekommen, wenn er sein Tun nicht damit erklärt hätte, dass sie bald keinen ihrer erfundenen Bewerber mehr haben würde.
Seltsam war an der ganzen Sache nur, dass die gute Laune und Ruhe, die er angeblich brauchte, um eine Frau zu töten, nicht wirklich in seinem Verhalten zu erkennen war. Doch vielleicht hatte seine Wut ihn kurz übermannt, denn so schnell wie er die Kammer verlassen hatte, war ihm wohl bewusst geworden, dass er sich fast selbst um sein Vergnügen gebracht hätte.
Was Anouk bei der ganzen Sache jedoch Sorgen bereitete war nicht einmal die Absicht des Teufels, sie umzubringen, sondern ihre Reaktion darauf, wie sein letzter Versuch vonstatten gegangen war.
Einen wütenden und brutalen Mann konnte sie fürchten und sich ihm widersetzen, aber wie könnte sie das bei einem freundlichen, gut gelaunten Ritter, der sie küsste? War das Teuflische, das ihm seinen Beinamen eingebracht hatte, vielleicht seine perfide Vorgehensweise, seine Opfer in Sicherheit zu wiegen? Sympathie in ihnen zu wecken, sie zu umschmeicheln, um dann unvermutet zuzuschlagen?
Wenn das seine Absicht war, dann hatte er damit Erfolg. Denn je länger sie mit dem Mann zusammen war, umso weniger traute sie ihm ein wirklich brutales Verhalten ihr gegenüber zu.
Anouk musste sich schon jetzt dazu zwingen, daran zu denken, dass dies der Teufel von Thorn war, der ihren Schützling in einer ungewünschten Ehe in Fesseln legen wollte. Ein Mann, der denen, die er seine Gegner nannte, unaussprechliche Dinge antat.
Natürlich wusste sie nicht, was von den Geschichten, die sie gehört hatte, der Wahrheit entsprach. Doch etwas Wahres musste dran sein, wenn seine nächsten Nachbarn so verängstigt - respektvoll, aber eingeschüchtert - davon sprachen. Darum war es für Anouk auch unverständlich, warum Melisandes Oheim sie an so einen Mann binden wollte.
Indem er das Mädchen so schnell, nur wenige Monate nach dem Tod ihres Vaters, an einen Gemahl abschieben wollte, zeigte der Oheim deutlich, dass ihm das Schicksal seines Mündels nicht am Herzen lag. Warum sonst sollte er ihr ein solch schreckliches Schicksal zumuten und sie mit einem Teufel verheiraten, von dem die ganze Gegend hinter vorgehaltener Hand sprach?
Diesem Teufel gegenüberzustehen hatte Anouk einiges verraten, was nicht für die Sorge des Oheims um seinen Schützling sprach. Denn der Lord, dem er sie versprochen hatte, hätte leicht ihr Vater sein können. Zu alt für so ein junges Mädchen und auch zu einschüchternd! Zwar verfügte der Ritter über beeindruckende Muskeln und sah relativ gut aus; das war nicht von der Hand zu weisen, vorausgesetzt man übersah den Pelz, der sich in seinem Gesicht breitgemacht hatte. Dennoch war dieser grollende Bär für ein junges Mädchen kein erstrebenswerter Gemahl. Dazu kam sein teuflischer Ruf, an dem nicht zu rütteln war und der auf eine grausame Ader schließen ließ. Wie würde so ein Mensch seine zukünftige Frau wohl behandeln?
Doch die Frage, die Anouk jetzt beschäftigen sollte, war, wie sie ihn soweit manipulieren konnte, dass er sie am Leben ließ. Vielleicht konnte sie ihn damit ködern, dass eine großzügige Geste ihm mehr Freundlichkeit von Seiten seiner Braut einbringen konnte. Wenn er sich ihr, Anouk, gegenüber gnädig zeigte, dann konnte Melisande vielleicht über den schrecklichen Ruf des Mannes hinwegsehen und etwas Positives an ihm entdecken.
Anouk war sich sicher, dass die ungewöhnlichen, grünen Augen des Ritters eine Frau verzaubern konnten, wenn sie nur freundlich blickten. Wenn sie sich die Zeit hätte nehmen können, ihn während seiner ausgeglichenen Phasen zu beobachten,
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