Der teuflische Lord (German Edition)
Zuhause gewöhnen sollte. Aber Melisande wusste, dass seine Gründe ganz woanders lagen.
Zu erkennen, dass ihr Aufenthalt im Wald als Nonne ein Fluchtversuch gewesen war, brachte den Lord zu der Erkenntnis, dass ein alter Mann wie de Brugh nicht in der Lage war, auf eine Maid aufzupassen.
Natürlich ahnte der Oheim nichts von diesem Grund. Er war viel zu erleichtert darüber, dass seine Nichte ihn nicht wegen ihrer Freundin bedrängen konnte. Nicht dass er deshalb die Suche nach ihr aufgeben würde, aber ohne Melisande, die über jeden Schritt informiert werden wollte, ging die Suche sicher schneller vonstatten. Er war darum dem Jungen eher dankbar, dass er ihm das Mädchen abnahm, als dass er sich darüber Gedanken machte, warum er so vehement darauf bestand.
Melisande konnte sich seine Beweggründe jedoch sehr gut vorstellen. Der Teufel von Thorn war wütend darüber, dass sie versucht hatte, ihm zu entfliehen. Er traute ihr durchaus zu, dass sie ein solches Unternehmen noch einmal wiederholte, wenn niemand auf sie achtgab. Oder vor allem, wenn niemand sie hinter Schloss und Riegel hielt.
Sie hatte versucht vor ihm zu fliehen, ehe sie ihn kannte, nur auf Grund seines teuflischen Rufes. Jetzt würde sie eine solche Tat wohl deshalb wiederholen, weil sie seine Bekanntschaft gemacht hatte. So dachte er, und er glaubte, diese Empfindungen auch in den Augen der Maid lesen zu können.
Vielleicht hatte Nikolas Thorn mit dieser Annahme sogar recht. Denn Melisande hatte den Eindruck, dass er zu dem Zeitpunkt, als er sie noch für eine Nonne gehalten hatte, viel freundlicher war als jetzt. Auch sie selbst war eher gewillt, dem Recken Vertrauen zu schenken, solange sie noch nicht wusste, wer sich hinter dem Namen Nikolas verbarg. Doch mit dem Wissen um seine Person kam auch die Angst, wie er ihr ihren Ungehorsam vergelten mochte.
Das war auch der Grund, warum es ihr nicht mehr gelang. einfach nur Nikolas in ihm zu sehen. Den Recken, der ihr seine Unterstützung angeboten hatte, und vor dem sie keine Angst gehabt hatte. Jetzt war er Lord Thorn, der unbarmherzig seine Absicht durchsetzte und sie - ohne ihr Einverständnis abzuwarten - aus der Burg ihres Oheims schaffte. Und das, obwohl Melisande noch immer den Fieberglanz in seinen Augen sehen konnte.
Eigentlich hätte sie Anteilnahme angesichts seines angeschlagenen Gesundheitszustandes zeigen sollen, aber sein unbeugsamer Wille, das durchzusetzen, was er für richtig hielt, ließ dafür keinen Platz. Er zeigte unmissverständlich seine Macht, und Melisande fühlte sich dadurch jeder Entscheidungsfreiheit beraubt.
Von dem Augenblick an als er seine Rechte ihr gegenüber erkannt hatte, wollte er sie dazu bringen, diese Rechte anzuerkennen und sich seinem Willen zu beugen. Da er meinte, dies eher zustande bringen zu können, wenn er sich auf seinem eigenen Terrain aufhielt, wollte er sie sofort dorthin schaffen.
* * *
Melisande spürte die Wärme an ihrem Rücken. Ein Gefühl, das sie zu diesem Zeitpunkt nicht freute. Bedeutete es doch, dass der Mann, der sie zwischen sich und dem Hals seines Pferdes festhielt, noch immer fieberte. Nicht dass er diese Tatsache zugegeben hätte oder auch nur versuchte etwas dagegen zu unternehmen! Ganz im Gegenteil. Er hatte unerbittlich darauf bestanden, den Weg zu seinem Heim sofort anzutreten. Kälte und Anstrengung konnten nicht gut für ihn sein, das konnte sich jeder selbst denken. Und darum machte sich das Mädchen auch Sorgen.
Sie kannte die Entfernung nicht, die sie zurücklegen mussten, um die Burg des Ritters zu erreichen. Aber sie hatte zumindest eine gewisse Vorstellung davon, wie weit es zu der Jagdhütte war, in der sie sich mit ihm aufgehalten hatte. Wenn sie dorthin zurückkehrten, konnte er sich erholen und aufwärmen. Und das, bevor er womöglich zusammenbrach, und sie dann vor der unlösbaren Aufgabe stand, für sie beide in der Kälte einen Unterschlupf zu finden.
„Lord Thorn“, wagte das Mädchen aus diesem Grund ein Wort an den Ritter zu richten, der sie seit dem Antritt ihrer Reise mit Nichtachtung strafte. Auch jetzt reagierte er auf die Anrede nur mit einem abfälligen Schnauben. Und das blieb nicht das Einzige, was seine Missbilligung ausdrücken sollte. Was genau ihn daran störte, dass sie das Wort an ihn richtete, sollte die Maid gleich erfahren.
„Lord Thorn? Vor nur wenigen Stunden habt Ihr mich noch mit meinem Vornamen angesprochen. Steht einem begeisterten Bräutigam so eine intime Anrede etwa
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