Der teuflische Lord (German Edition)
dann hätte sie sicher etwas Freundliches an ihm entdeckt. Aber da sie ihn in ständiger Wut halten musste, um ihrer Erwürgung zu entgehen, war ihr eine solche Beobachtung verwehrt.
Ein Seufzer entschlüpfte Anouks Lippen, und sie kuschelte sich tiefer in die Felle ihrer Lagerstatt. Ein verträumtes Lächeln wollte sich einfach nicht davon abhalten lassen, ihren Mund zu umspielen. Ja, ein freundlicher Blick aus den Augen des Ritters konnte das Herz einer Maid sicher schneller schlagen lassen. Und was ein Blick versprach konnte ein Kuss nur noch mehr verstärken.
Auch wenn sie so eine Möglichkeit dem Mann gegenüber nie zugeben würde. Aber in dem Gefühl zu schwelgen, das seine Lippen in ihr ausgelöst hatten, bevor ihr klar wurde, dass er sie bestrafen wollte, war einfach unglaublich! Ein klein wenig würde sie sich in dieser Vorstellung hoffentlich verlieren dürfen, bevor sie sich erneut in Acht nehmen musste.
Hätte sie diesen letzten Gedanken nur nicht so festgehalten! Denn aufzuwachen und sich dabei dieses warmen Gefühls zu erinnern, das der Gedanke an den Ritter auslöste, der sie mit einem Kuss eigentlich ersticken wollte, war beschämend.
Zum einen hatte er sie auf diese Weise töten wollen, zum anderen war der Mann einer anderen versprochen. So eine Schlange war sie nun wirklich nicht, ihrem Schützling den Mann wegzunehmen! Selbst wenn das nur in ihren ureigensten Gedanken geschah, war es immer noch ein unverzeihlicher Verrat an einem Menschen, den sie wie ihre eigene Tochter liebte.
Natürlich wollte sich eine kleine protestierende Stimme diesem Urteil entgegenstellen und darauf hinweisen, dass Melisande den Teufel von Thorn ja gar nicht haben wollte. Dieses Mädchen hatte ihren Entschluss jedoch gefasst, ohne ihn kennengelernt zu haben. Deshalb durfte sich Anouk auch nicht darauf berufen. Denn so eine Einstellung könnte sich vielleicht ganz schnell ändern, wenn sie dem Ritter Auge in Auge gegenüberstand.
Für Anouk bedeutete das, dass sie sich in einem echten Dilemma befand. Ihr Kerkermeister hatte vor, sie zu erwürgen oder auf andere Weise die Luft aus ihr herauszupressen, wenn er guter Laune war. Sie hatte Schwierigkeiten, diese gute Laune zu sabotieren, wenn sie ihr so köstliche Empfindungen bescherte wie die, wenn er sie küsste.
Dass sie mit so einer Einstellung Melisande hinterging belastete Anouks Seele. Deshalb gab es für sie auch nur eine einzige Verhaltensregel im Umgang mit dem Ritter. Sie musste alles, aber auch alles tun, um diesen Lord in einem wütenden Zustand zu halten. Er durfte sie weder erwürgen noch durfte er sich so entspannen, dass er auf die Idee kam, sie noch einmal zu küssen. Da sie bei diesem Entschluss jedoch nicht nur gegen diesen faszinierenden Mann, sondern auch gegen ihre eigenen Gefühle ankämpfen musste, war es für sie schwer, unerbittlich und konsequent ihr Ziel zu verfolgen.
Als eine Frau mit viel Phantasie und Einfallsreichtum fiel es ihr leicht, sich Dinge auszudenken, die ein Mann als arge Zumutung empfinden konnte. Die erste Idee für ihr weiteres Vorgehen setzte sie um, sobald sie sich aus dem Bett geschält hatte.
Ein Blick nach draußen in den Gang vor ihrer Kammertür zeigte ihr schon bald ein Opfer für ihre weiteren Pläne. Sie würde den Haushalt des Lords oder besser gesagt seine Bediensteten damit piesacken, dass sie ihnen einfach ein paar überzogene Forderungen präsentierte. Wenn sie seinen Leuten Extrawünsche zumutete, würde das schnell dem Teufel, den sie ihren Herren nannten, zu Ohren kommen und seine Wut auf sie nicht verlöschen lassen, sondern im Gegenteil weiter anheizen.
„Du!“, hielt sie einen verbeikommenden Diener auf. „Ich möchte ein Bad nehmen, in meiner Kammer!“ So funktionierte Anouk ihren derzeitigen Aufenthaltsort auch gleich zu ihrem persönlichen Eigentum um. „Ich erwarte ausreichend Wasser in einem großen Zuber. Und ich meine damit Wasser, das nicht nur handwarm ist. Dazu drei große Leinentücher zum Abtrocknen und eine Rosenseife!“
Ja, mit diesen detaillierten Forderungen lag sie genau richtig, da der Diener sie erschrocken ansah. Schnell schloss sie mit einem zufriedenen Lächeln die Türe, damit ein Einwand erst gar nicht vorgebracht werden konnte. Was lag also für den armen Kerl näher, als sich bei seinem Herren über die unverschämten Forderungen der Gefangenen zu beschweren? Sicherlich würde ihren Anweisungen sofort widersprochen werden, und Anouk rechnete damit, dass es nicht lange
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