Der teuflische Lord (German Edition)
und dass man sie dafür zu Recht verantwortlich machte. Sie hatte bereits wieder vergessen, dass man ihr gesagt hatte, der Lord hätte nach ihr gefragt. Ihr kam es so vor, als ob man sie mit seinem Anblick nur bestrafen wollte.
Hätte sich der Recke in der Jagdhütte auskurieren können, dann wäre er jetzt sicher nicht in diesem Zustand. Aber er hatte sich ja verpflichtet gefühlt, ihr, der Nonne, beizustehen. Hätte sie ihn in diesem Punkt nicht angelogen, dann wäre er gleich mit ihr hierhergekommen. Eine Nacht auf der Jagd und der lange Weg zu seiner Burg wären dann gar nicht nötig gewesen.
Erst hatte er sich für sie eine Nacht um die Ohren geschlagen, damit sie nicht hungern musste. Danach hatte er - krank - nach ihr gesucht, nur um zu entdecken, dass sie seine entflohene Braut war. Sie vor sich selbst zu schützen, indem er sie in sein eigenes Heim brachte, hatte dann seinen schlechten Gesundheitszustand noch weiter verschlimmert.
Aus diesen Tatsachen ließ sich ableiten, dass sie allein die Schuld an Thorns Verfassung trug. Wie groß ihre Schuld wirklich war, würde sich nur zeigen, wenn sie sich nach dem tatsächlichen Gesundheitszustand des Lords erkundigte.
„Wird er wieder gesund?“ Diese Frage zu stellen würde sicherlich nichts daran ändern, dass man sie verantwortlich machte. Aber es würde ihr zumindest zeigen, ob sie ihr Verschulden mit dem Tod bezahlen musste. Wenn er auf dem Weg der Besserung war, so könnte sie auf eine milde Strafe hoffen. Stand seine Genesung unter keinem guten Stern, so war auch ihr Schicksal verwirkt.
Die Möglichkeit, dass er diese Krankheit nicht überlebte, hätte zumindest zur Folge, dass sie einer Ehe mit dem teuflischen Lord entkam, auch wenn das ihr Ende bedeutete. Aber es lag nicht in Melisandes Absicht, jemandem den Tod zu wünschen, und daher schämte sie sich für diesen Gedanken sogleich. Und als ob der Lord dieser Vermutung entgegenwirken wollte, wand er sich in dem Moment unruhig auf seinem Bett hin und her.
„Es liegt in Eurer Hand, ob der Lord genesen wird, Mylady.“ Diese Antwort hatte Melisande nicht erwartet.
Ronald hoffte, die Lady würde dieses Friedensangebot, das er ihr damit antrug, annehmen. Sie würde sich von nun an ganz um Nikolas Genesung kümmern! Auf diese Art zeigte er ihr ihren Status als Braut von Nikolas in diesem Haushalt auf. Er gab die Pflege des Herrn in die Hand, die als einzige die Macht und das Recht hatte, darüber zu bestimmen. Ein deutlicheres und offeneres Zeichen konnte er nicht setzen um seinen Irrtum wiedergutzumachen als der Maid den Platz zu überlassen, der ihr, nach Nikolas‘ Worten, zustand.
Melisande erkannte, was das war: Ihre Chance, Vergebung zu erlangen. Wenn sie den Lord nicht sterben ließ und ihn gesund pflegen konnte, dann würde man ihr diese Tat anrechnen. Wenn sie sich erfolglos hier in der Kammer des Lords aufhielt sollte ihre Strafe sein, mit anzusehen, wie der Mann ihretwegen starb.
Ihr ängstlicher Blick heftete sich auf den Kranken, der längst damit begonnen hatte sich unruhig auf dem Bett hin und herzuwerfen. Würde sie ihm helfen können, und würde er diese Hilfe überhaupt annehmen wollen?
„Ruft nach mir, wenn Ihr Unterstützung braucht, Mylady!“ So kündigte der Vasall seinen Abgang an. „Ich höre auf den Namen Ronald und bin der Stellvertreter Eures Lords.“
Ja, er hatte ihr seinen Namen schon einmal gesagt. Er hatte an Nikolas‘ Stelle durchgesetzt, dass sie die letzten Tage in der Turmkammer festgehalten worden war. Doch den Lord von Thorn als ihren Lord zu betiteln, das wirkte auf Melisande verwirrend. Während sie noch über diese Bezeichnung nachdachte und bevor sie darüber, was sie zu bedeuten hatte, Klarheit erlangt hatte, war der Mann auch schon gegangen.
Mit dem Teufel von Thorn alleine gelassen zu werden konnte Melisandes Ängste nicht wirklich beruhigen. Sie wusste nicht, was von ihr wirklich erwartet wurde und näherte sich dem Kranken daher nur zögerlich. Jetzt lag das Wohl und Weh eines Menschen in ihren Händen, und das war erschreckend. Gleichzeitig wusste sie, dass sein Leid auch ihr Schicksal bestimmen würde.
Die Frage lautete: Konnte sie ihn wirklich gesund pflegen, wenn sie wusste, dass er sie nach seiner Genesung dafür zur Verantwortung ziehen würde auch wenn sie diese maßgeblich begünstigt hatte? Tat sie nichts um ihm zu helfen, dann musste sie auch für die Konsequenzen, die das hatte, die Verantwortung übernehmen.
Melisandes
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