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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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dann? Wenn sie ihn irgendwo versteckt hat, dann ist dieser yorkistische Thronerbe ein weiteres Hindernis zwischen meinem Sohn und dem Thron. Will sie mir das damit sagen? Oder tut sie nur so? Quält sie mich? Triumphiert sie über mich, indem sie dem begriffsstutzigen Boten ein Rätsel aufgibt, damit er es an mich weiterleitet? Hat sie den Namen ihres Sohnes absichtlich ausgesprochen, um mich mit ihrer Gabe der Vorhersage zu verhöhnen? Oder war es ein Versehen? Spricht sie von Richard, um mich zu warnen, dass sie immer noch einen Erben hat, falls Edward etwas zustoßen sollte?
    Stundenlang verharre ich betend auf den Knien, damit mir die Muttergottes, unsere Himmelskönigin, zu verstehen gibt, was diese äußerst irdische Königin tut: Wieder einmal spielt sie ihr Spiel direkt vor meiner Nase und sagt ihre Zaubersprüche auf. Sogar in diesem Moment ihrer größten Angst und Niederlage triumphiert sie über mich. Doch die Muttergottes kommt nicht zu mir. Johanna gibt mir keinen Rat. Gott spricht nicht zu mir, seiner Magd. Sie erklären mir nicht, was Elizabeth Woodville in ihrem versteckten Asyl unter der Abtei tut, und wenn sie mir nicht helfen, werde ich tatenlos mit ansehen müssen, wie sie triumphierend daraus emporsteigen.
    Nur einen Tag später kommt meine Zofe mit verweinten Augen zu mir und sagt, dass Anthony, Earl Rivers, tot ist. Der blendende, ritterliche Bruder der Königin wurde auf Geheiß von Herzog Richard auf Pontefract Castle exekutiert. Sie überbringt mir die Nachricht in dem Augenblick, in dem sie sich in London verbreitet. Niemand kann früher davon erfahren haben; der offizielle Bericht erreicht den Kronrat erst eine Stunde später. Wie es scheint, haben die Königin und ihre Tochter Doktor Lewis in derselben Nacht davon erzählt, in der es passiert ist, womöglich gar im Augenblick seines Todes. Wie kann das sein?
    Am nächsten Morgen treffe ich meinen Gemahl zum Frühstück. «Ich wurde aufgefordert, an einer Sitzung des Kronrats teilzunehmen», sagt er und zeigt mir ein Schreiben mit dem Siegel eines Keilers. Wir wagen beide nicht richtig hinzusehen; der Brief liegt wie ein Dolch auf dem Tisch zwischen uns. «Und du sollst dich um die königliche Garderobe kümmern und um die Krönungsgewänder für Anne Neville. Um die Gewänder der Königin. Du sollst Hofdame der Königin Anne werden. Unser Hausarrest wurde ohne ein weiteres Wort aufgehoben. Wir stehen, ohne ein Wort der Erklärung, wieder in königlichen Diensten.»
    Ich nicke. Ich arbeite für König Richard, wie ich für König Edward gearbeitet habe. Wir werden dieselben Gewänder tragen, doch das Gewand aus Gold und Hermlin, das für die Königinwitwe Elizabeth bereitgestellt wurde, wird nun für ihre Schwägerin Anne, die neue Königin, umgeändert.
    Da wir im Kreis meiner Ladys und Stanleys bewaffneter Männer sitzen, werfen mein Gemahl und ich uns ob unseres Überlebens nur einen kurzen Blick des Triumphes zu. Es wird das dritte königliche Haus sein, dem ich diene, und jedes Mal, da ich mich verbeuge, bin ich in Gedanken bei meinem Sohn und Erben. «Es wird mir eine Ehre sein, Königin Anne zu dienen», sage ich glattzüngig.
    ***
    Es ist meine Bestimmung, die wechselhaften Launen der Welt zu belächeln und mir meines himmlischen Lohns gewiss zu sein. Doch selbst ich stocke einen Augenblick an der Schwelle zu den Gemächern der Königin, als ich die kleine Anne Neville sehe – die Tochter des Königsmachers Warwick, hochwohlgeboren, königlich verheiratet, verwitwet und bedeutungslos, um nun erneut zum Thron von England emporgehoben zu werden. Sie steht in ihrem Reiseumhang im Kreis ihrer Hofdamen aus dem Norden neben dem großen Kamin, als befinde sie sich in einem Lager fahrenden Volks in den nordischen Hochmooren. Als sie mich sehen, kündigt mich der Wächter an der Tür mit einem Akzent, den niemand südlich von Hull verstehen kann, lautstark an: «Lady Margaret Stanley!» Die Frauen schlurfen zur Seite, auf dass ich mich ihr nähern kann, und ich sinke auf die Knie, erniedrige mich vor einer weiteren Thronräuberin und erhebe die Hände in der Geste des Lehnseids.
    «Euer Gnaden», sage ich zu der Frau, die der junge Herzog Richard aus Schande und Armut emporgehoben hat, weil er mit dieser unglückseligen Braut das Vermögen der Warwicks beanspruchen konnte. Nun soll sie Königin von England werden, und ich muss vor ihr niederknien. «Ich schätze mich glücklich, Euch meine Dienste anzubieten.»
    Sie lächelt mich an. Sie

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