Der Thron der roten Königin
Gesicht schlagen.
«Seid Ihr nicht dieser Ansicht?», frage ich sie gereizt. «Macht den Mund auf, Mädchen.»
«Meiner Mutter steht es frei, als geehrter Gast ihres Schwagers, König Richard von England, an den Hof zu kommen, wann immer es ihr beliebt», sagt sie leise. «Er hat sie eingeladen und ihr den Rang als zweite Lady des Reiches versprochen, nach der Königin. Aber sie wollte nicht. Ich glaube, sie hat der Eitelkeit der Welt abgeschworen.»
«Oh, da täuscht Ihr Euch! Ich bin diejenige, welche die Eitelkeit der Welt hinter sich gelassen hat», korrigiere ich sie. «Es ist ein stetes Ringen mit den eigenen Wünschen und dem Verlangen nach Ruhm. Ein Ziel, das man nur durch jahrelange Studien und Gebete erreicht. Deine Mutter hat so etwas nie auch nur versucht. Sie vermag es gar nicht. Sie hat die Eitelkeit der Welt nicht aufgegeben; sie konnte es nur nicht ertragen, Anne Neville an ihrem Platz zu sehen.»
Wieder lacht das Mädchen, und diesmal lächelt sie mich an. «Ihr habt recht!», ruft sie aus. «Fast wörtlich hat sie das gesagt: Sie könne es nicht ertragen, ihre herrlichen Kleider auf Anne Nevilles Größe umgeändert zu sehen! Ich glaube wirklich, sie will nicht mehr an den Hof zurück, aber was die Kleider betrifft, so habt Ihr recht. Arme Königin Anne.»
«Gott sei ihrer Seele gnädig», sage ich fromm; und das Mädchen wagt tatsächlich, dem ein «Amen» hinzuzufügen.
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Juni 1485
N un muss mein Sohn bald kommen. Von seiner Burg in Nottingham verschickt Richard Weisungen an sämtliche Grafschaften in England, um sie an ihre Pflicht ihm gegenüber zu erinnern und sie von der Bedrohung durch Henry Tudor zu unterrichten. Er befiehlt ihnen, alle örtlichen Streitigkeiten beizulegen und sich marschbereit zu halten.
Er befiehlt Elizabeth, mich zu verlassen, um sich mit ihren Schwestern zu den verwaisten Kindern von George of Clarence in Sheriff Hutton zu gesellen, das er für sicher hält. Er versammelt alle Kinder Yorks an dem sichersten Ort, seiner Burg im Norden, während er gegen meinen Sohn für ihr Erbe kämpft. Ich gebe mir alle Mühe, sie bei mir zu behalten – die Männer von York unterstützen meinen Sohn nur, wenn sie davon ausgehen können, dass er mit ihr verlobt ist –, doch sie packt augenblicklich, ist im Nu im roten Reitkostüm und reisefertig. Als die Eskorte sie abholen kommt, tanzt sie fast in den Hof hinaus.
«Ich wage zu behaupten, wir werden uns wiedersehen, wenn all das vorüber ist», bemerke ich, als sie zu mir kommt, um mit einem Knicks Abschied zu nehmen. Ich empfange sie in der großen Halle. Ich bleibe sitzen und lasse sie vor mir stehen, als entließe ich eine Dienerin.
Sie erwidert nichts, sondern sieht mich mit ihren schönen grauen Augen einfach stumm an, als wartete sie nur darauf, dass ich fertig bin mit meiner Predigt und sie gehen kann.
«Wenn mein Sohn wie ein Drache von Wales kommt und König Richard vernichtend schlägt, dann wird er König von England. Er wird Euch zur Frau nehmen, und Ihr werdet Königin. Es steht in seiner Macht», sage ich. «Jetzt habt Ihr keinen Namen, doch er wird Euch einen geben, wenn er sich dafür entscheidet. Ihr habt keinen Titel, doch er kann Euch zur Königin von England machen. Er wird Euer Retter sein, Euch aus der Schande erlösen und davon, ein Niemand zu sein.»
Sie nickt, als sei Schande kein Fluch für eine Frau.
«Aber wenn Richard meinen Sohn Henry besiegt, dann nimmt Richard Euch, seine Hure, und wäscht Euren Ruf mit der späten Eheschließung rein. Ihr werdet Königin, aber Ihr werdet mit dem Mann vermählt sein, der Euren Onkel und Eure Brüder getötet und den Willen Eures Vaters verraten hat – mit Eurem Feind. Ein schmähliches Schicksal. Es wäre besser gewesen, Ihr wäret mit Euren Brüdern gestorben.»
Einen Augenblick lang glaube ich, dass sie mich nicht verstanden hat, denn sie hat die Augen zu Boden geschlagen und zuckt nicht einmal zusammen. Die Drohung, entweder mit einem jungen Mann verheiratet zu werden, der sie hassen muss, oder mit einem Mann, dem man die Verantwortung für die Mordtaten in ihrer Familie zuschreibt, scheint sie nicht zu bewegen. Dann hebt sie langsam den Kopf und lächelt mich an. Sie schenkt mir ein wunderschönes Lächeln, als wäre sie glücklich.
«In jedem Fall seid Ihr geschändet», sage ich grob. «Ihr solltet Euch dessen bewusst sein. Bloßgestellt in aller Öffentlichkeit.»
Doch das Glücksstrahlen bleibt. «Ja, aber ich werde so
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