Der Thron der roten Königin
oder so, Schande hin oder her, Königin von England. Und dies ist das letzte Mal, dass Ihr in meiner Gegenwart sitzen bleibt», brüskiert sie mich. Ihre Zuversicht ist außergewöhnlich, ihre Unverschämtheit unverzeihlich, ihre Worte schrecklich wahr.
Dann beschreibt sie einen Knicks, wendet mir mit vollkommener Verachtung den Rücken zu und schreitet aus meiner großen Halle hinaus in den Hof, wo die Soldaten bereits im Sonnenschein darauf warten, sie weit fort in Sicherheit zu bringen.
Ich muss sagen, es hat mir die Sprache verschlagen.
***
Mein Gatte kommt mit grimmiger Miene nach Hause. «Ich kann nicht bleiben», meldet er mir. «Ich bin gekommen, um meine Männer anzumustern. Ich rufe die Pächter zusammen, wir ziehen in den Krieg.»
Ich traue mich kaum zu atmen. «Auf wessen Seite?», wage ich zu fragen.
Er wirft mir einen Blick zu. «Du musst wissen, dass mir König Richard dieselbe Frage gestellt hat. Er traut mir so wenig, dass er meinen Sohn als Geisel genommen hat. Er hat mich erst zum Rekrutieren gehen lassen, als er George an meiner Stelle zum Pfand hatte. Dem musste ich zustimmen. Ich muss mich mit meiner Verwandtschaft auf dem Feld zeigen. Diese Schlacht wird über den nächsten König von England entscheiden, das Banner der Stanleys muss dabei sein.»
«Aber auf welcher Seite?», frage ich erneut.
Er lächelt mich an, als wollte er mich nach dieser langen Wartezeit beschwichtigen. «Ach, Margaret», sagt er. «Welcher Mann könnte der Versuchung widerstehen, seinen Stiefsohn zum König von England zu machen? Was hast du denn gedacht, warum ich dich vor all den Jahren geheiratet habe, wenn nicht, um heute hier zu sein? Ich werde die Tausende von Männern bewaffnen, die mir unterstehen, um deinem Sohn auf den Thron zu verhelfen.»
Mir steigt die Röte in die Wangen. «Du musterst deine Truppe für Henry an?», frage ich ihn. Die Armee der Stanleys ist viele tausend Mann stark, genug, um den Verlauf einer Schlacht zu bestimmen. Wenn Stanley für Henry kämpft, dann ist es gewiss, dass Henry gewinnt.
«Selbstverständlich», antwortet er. «Daran hast du doch wohl nie gezweifelt.»
«Ich dachte, du würdest dich immer auf die Seite des Siegers schlagen?»
Zum ersten Mal in unserer Ehe öffnet er die Arme, und ich lasse mich willig umfangen. Einen Augenblick hält er mich, dann lächelt er auf mich herab. «Wenn ich für Henry kämpfe, dann wird er gewinnen», bemerkt er. «Ist das nicht dein Wunsch, meine Lady?»
«Mein Wunsch und Gottes Wille.»
«Und Gottes Wille geschehe», bekräftigt er.
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Juli 1485
D as Netzwerk von Spionen und Berichterstattern, das ich während der Rebellion um mich geknüpft hatte, entsteht langsam neu. Mein Gemahl schickt mir die Nachricht, dass ich mich auf eigenes Risiko treffen kann, mit wem ich will. Doktor Lewis kehrt mit dem Versprechen aus Wales zurück, dass die Waliser dem Namen Tudor die Treue halten werden; Pembroke Castle wird seinem alten Herrscher, Jasper Tudor, die Tore öffnen. Rhys ap Thomas, der größte Stammesführer in Wales, hat Richard sein Wort gegeben, aber er wird mit falschen Karten spielen: Rhys ap Thomas wird für Henry kämpfen. Mein Vermittler Reginald Bray geht leise in den großen Häusern Englands ein und aus und verheißt, dass Henry mit einer unschlagbaren Armee landen und den Thron besteigen wird, dass er dem Hause Lancaster endlich Gerechtigkeit widerfahren lassen und eine Versöhnung mit York herbeiführen wird.
Ich erhalte einen Brief von Jasper:
An Lady Margaret Stanley
Ende dieses Monats oder Anfang des nächsten ist es so weit. Wir haben fünfzehn Schiffe und zweitausend Männer. Ich glaube, es ist unsere letzte Chance. Dieses Mal müssen wir siegen, Margaret. Um Deines Sohnes willen, bring Deinen Gemahl dazu, ins Feld zu ziehen. Wir brauchen ihn. Henry und ich zählen darauf, dass Du uns die Stanleys an die Seite stellst. So Gott will, sehe ich Dich bei der Krönung Deines Sohnes, sonst sehe ich Dich nie wieder. Gott schütze Dich, wie auch immer es ausgehen mag. Es war ein langer und guter Weg, und ich bin stolz, Dir und Deinem Sohn gedient zu haben.
Jasper
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August 1485
D ie fünfzehn Schiffe setzen in Harfleur Segel, finanziert von den Franzosen zur Zerstörung Englands. Sie haben die wüstesten Männer ganz Europas an Bord, von Schweizer Schindern zu etwas wie einer Armee gedrillt, befehligt von Jasper und angeführt von Henry, der mehr Angst hat als je zuvor in
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