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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Das quält mich wie eine verlorene Liebe. Wenn Elizabeth Woodville sich den jungen Mann nicht schamlos geangelt hätte, könnte ich jetzt an seiner Seite Königin von England sein und meine Briefe mit «Margaret R.» unterzeichnen. Man erzählt sich, sie sei eine Hexe und habe ihn mit Zaubersprüchen für sich eingenommen und am ersten Mai geheiratet – ob das nun wahr ist oder nicht, so sehe ich doch deutlich, dass sie mit der Verführung des Mannes, der mich zur Königin hätte machen können, Gottes Wille hintertrieben hat. Sie muss eine wahre Frevlerin sein.
    Doch es ist sinnlos zu klagen, und es wäre mir sowieso schwergefallen, Edward als Gemahl zu achten. Wie erträgt man es, einem Mann zu gehorchen, der nur auf sein Vergnügen aus ist? Was mag einer wie er seiner Frau befehlen? Welchen Lastern gibt sich einer wie er hin? Auf welch finsteren und geheimen Ausschweifungen besteht einer wie er, wenn er eine Frau beschläft? Mir Edward nackt vorzustellen lässt mich schaudern. Ich höre, er sei gänzlich ohne Moral. Doch er hat nun einmal seine Frau, diesen Emporkömmling, verführt und geheiratet (vermutlich in der Reihenfolge), und jetzt haben sie einen gutaussehenden starken Sohn, der Anspruch auf den Thron erhebt, der rechtmäßig meinem Jungen gehört. Und solange Elizabeth von ihrer Mutter beschützt wird, die zweifellos eine Hexe ist, stirbt sie gewiss nicht im Kindbett. Nicht die geringste Chance für mich, es sei denn, ich schleiche mich über seinen jüngeren Bruder Richard an den Thron heran. Ich werde mich nicht an den Straßenrand stellen und ihn in Versuchung führen, wie es die Frau seines Bruders tat, aber ich unterbreite ihm vielleicht einen Vorschlag, der ihn interessieren könnte.
    Ich schicke meinen Haushofmeister, John Leyden, nach London. Er ist angewiesen, sich mit Richards Haushofmeister anzufreunden und mit ihm zu speisen. Er darf nichts ausplaudern, er soll nur das Terrain sondieren. Er soll schauen, ob der junge Prinz eine Verlobung im Sinn hat, und herausfinden, ob er vielleicht Interesse an meinem Grundbesitz in Derbyshire hätte. Er soll ihm ins Ohr flüstern, dass es sich lohnt, einen Tudor, dessen Name ganz Wales befehligt, zum Stiefsohn zu haben. Er soll laut daran zweifeln, ob Richards tiefempfundene Treue zu seinem Bruder womöglich so ins Wanken geraten könnte, dass er in das Haus seines Feindes einheiratet, falls die Bedingungen stimmen. Er soll schauen, was der junge Mann als Preis für die Heirat verlangen würde, und ihn daran erinnern, dass ich – wenngleich acht Jahre älter als er – noch keine dreißig bin und immer noch schlank und attraktiv, ja manche würden mich sogar ansprechend nennen. Vielleicht kann man mich sogar als schön bezeichnen. Ich bin keine Hure mit goldenem Haar, wie die Erwählte seines Bruders, sondern eine Frau von Würde und Anmut. Für einen kurzen Augenblick nur denke ich an Jaspers Hand auf meiner Taille auf der Treppe in Pembroke und an seinen Kuss auf meinen Lippen, bevor wir uns voneinander lösten.
    Mein Haushofmeister soll betonen, dass ich fromm bin und dass keine Frau Englands inbrünstiger betet oder häufiger auf Pilgerschaft geht als ich, und auch wenn er es gering achtet (schließlich ist Richard ein junger Mann und stammt aus einer Familie von Dummköpfen), so ist es doch von Vorteil, eine Gemahlin zu haben, die Gottes Vertrauen genießt und deren Schicksal von der Jungfrau Maria gelenkt wird. Es ist etwas Besonderes, eine Gemahlin den Haushalt führen zu lassen, die seit ihrer frühen Kindheit die Knie einer Heiligen hat.
    Doch es ist vergebens. John Leyden kehrt auf seinem großen Braunen nach Hause zurück und schüttelt den Kopf, als er vor der Tür in Woking absitzt.
    «Was?», fahre ich ihn ohne einen Gruß an, obwohl er weit geritten ist und sein Gesicht von der Maihitze gerötet ist. Ein Page kommt mit einem schäumenden Krug Ale herbeigelaufen, und er stürzt es hinunter, als würde ich nicht warten, als würde ich nicht jeden Freitag dürsten und fasten, jede Woche, sogar an Feiertagen.
    «Was?», wiederhole ich.
    «Ein Wort unter vier Augen», sagt er.
    Also bringt er schlechte Nachrichten. Ich führe ihn nicht in meine privaten Gemächer, denn dort dulde ich keine erhitzten, schwitzenden Männer, die Ale trinken, sondern in die Kammer links von der großen Halle, in der mein Gemahl der Verwaltung seiner Ländereien nachgegangen ist. Leyden schließt die Tür hinter sich, und ich stehe ihm mit harter Miene gegenüber.

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