Der Thron der Welt
schwingen. Ihr sichelförmiges Blatt wog bestimmt fünfzehn Pfund, doch er hielt sie so lässig, als wäre sie ein Esslöffel. Zusätzlich trug er an der Hüfte ein Breitschwert, und hinten in seinem Gürtel steckte eine kurze Stichwaffe, ein Skramasax. Er sprang auf den Felsen, stolperte und kam der Wasserrinne gefährlich nah. Doch dann fing er sich, sah auf und grinste breit, sodass seine gelblich verfärbten Zähne zu sehen waren.
Vallon runzelte die Stirn. «Er spielt den Narren.»
Thorfinns Grinsen erlosch. Er hob die Axt, deutete damit zuerst auf Vallon, dann auf Wayland, und schätzte sie mit Blicken ab, die so kalt waren wie die einer Möwe. Sein Körperbau war enorm – er war beinahe sieben Fuß groß, mit Oberschenkeln wie Weinfässer und einer muskelbepackten Brust. Jahre des Umgangs mit der Kampfaxt und dem Schwert hatten seine rechte Schulter zu einem sehnigen Höcker werden lassen. Über seinen nackten Oberkörper zog eine indigofarbene Phantasieparade – Adler mit ausgebreiteten Schwingen, gewundene Schlangen, berittene Krieger. Mit einem hellen Klirren ließ er den Axtkopf auf den Felsen fahren.
«Du hast große Probleme, Frankmann.»
«Keine so großen wie du. Wir haben ein unbeschädigtes Schiff und eine Menge frisches Fleisch. Du hast weder das eine noch das andere.»
Thorfinn deutete mit der Axt auf das Wikingerlager. «Wir haben eine lebendige Speisekammer.» Er knirschte mit den Zähnen. «Hungrige Wölfe reißen immer besonders große Stücke heraus.»
«Außerdem hast du kein Segel und kein Tauwerk. Also kommst du nirgendwohin.»
Thorfinn ließ sich auf den Hintern fallen und musterte Vallon über das Heft seiner Axt hinweg. «Also gut, Franke, ich tausche vier Gefangene gegen das Segel von dem isländischen Schiff.»
«Ich will deine Gefangenen nicht. Ich habe jetzt schon mehr Isländer an Bord, als ich brauchen kann.»
Thorfinn sagte etwas zu seinem Truppenführer, bevor er sich wieder an Vallon wandte. «Was ich gesagt habe, stimmt. Du kannst nicht um das Nordkap zurückfahren. Frag die isländischen Schiffsmeister.»
«Ich würde es lieber von dir hören.»
«Die Herbstwinde stehen in der Gegenrichtung. Sie werden dich an den Felsen zerschmettern. Sie werden dich in den Mahlstrom treiben.»
«Wenn das so ist, was hast du dann selbst so weit im Osten verloren?»
Thorfinn fuhr sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang. «Wir haben uns diese Küste genauso wenig ausgesucht wie du. Wir waren auf einer Ausfahrt zu den Färöern, als uns der Sturm erwischt und ums Kap herumgeblasen hat.»
«Das zeigt doch nur, wie schwankend die Winde sein können. Es sind immer noch ein paar Wochen bis zum Winter. Wir brauchen nur zwei oder drei Tage Ostwind, um zurück ins offene Meer zu kommen.»
Thorfinn stand auf. «Angenommen, du kommst um das Kap. Zwischen hier und Halogaland gibt es keine Siedlungen. Dort liegt mein Land. Die Ernte war schlecht dieses Jahr. Was glaubst du, wie dich meine Leute empfangen werden, wenn du kommst und um Essen und ein Dach über dem Kopf bettelst?» Er schnalzte mit der Zunge und zog die Klinge seiner Axt vor seiner Kehle vorbei.
«Warum sollte ich glauben, was du da sagst?»
Thorfinn sah ihn nachdenklich an. «Die Isländer sagen, du bist unterwegs zum Warägerweg.»
«Der Weg zu den Griechen», bestätigte Wayland.
«Und wenn es so wäre?», sagte Vallon.
«Es gibt nur eine Möglichkeit, ihn zu erreichen.» Thorfinn griff nach einem Beutel an seinem Gürtel und nahm eine Prise Pigmentstaub zwischen die Finger. Er befeuchtete ihn im Fluss, kniete sich auf den Felsen, und begann eine Form auf den Stein zu zeichnen. Zuerst wirkte sie wie der Umriss eines dicken Daumens, und dann, am Ansatz des Daumens, fügte er ein schnörkeliges V hinzu.
«Was soll das denn sein?»
Thorfinn setzte seinen Zeigefinger auf den Anfang der Linie und tippte mehrfach darauf.
«Er will sagen, dass das die Stelle ist, an der wir jetzt sind», erklärte Wayland.
«Ja, ja. Genau.»
Thorfinn deutete nach Osten, setzte seinen Finger auf den Anfang der Linie und verfolgte sie in drei Bögen bis zum Ende des Daumens. «Nach drei Segeltagen weicht das Land Richtung Süden in die Bucht der Gefahren zurück. Die Rus nennen es das Weiße Meer. Von dort aus kommt man auf einem Fluss Richtung Süden durch ein Waldgebiet nach Holmgard.»
«Holmgard ist der nordische Name für Nowgorod», sagte Wayland.
Vallon war fasziniert. «Du hast diese Route schon genommen», sagte er zu
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