Der Thron der Welt
Anklage. Und Drogo, ich werde nicht urteilen. Ich lasse eine Jury entscheiden.»
Drogo spuckte aus. «Männer, die sich aushalten lassen.»
Vallon beugte sich zu ihm hinunter. «Und was bist du?»
Drogo verzog den Mund und knurrte: «Wenn du so sicher bist, dass Waylands Anschuldigung richtig ist, warum beweist du sie dann nicht im Zweikampf?»
«Du hast die Falken wie ein Dieb in der Nacht freigelassen. Ich werde einen solchen Verrat nicht mit einem Gottesurteil adeln.»
«Weil du weißt, dass ich dich besiegen würde.»
Vallon sah Wayland an. «Wiederhole deine Anklage.»
Drogo ging auf Wayland zu. «Sei lieber vorsichtig, bevor du mit haltlosen Beschuldigungen um dich wirfst. Denk erst mal über deine eigenen Interessen nach, bevor du meinen schadest.»
Vallon hob die Hand. «Wayland, mach den Mund auf.»
Alle hatten sich um sie geschart, um die Untersuchung mitzuverfolgen. Wayland sah sich mit gehetztem Blick um. «Ich kann nicht sicher sein, dass es Drogo war.»
Vallon fuhr erstaunt herum. «Als du den Verlust entdeckt hast, hattest du noch keine Zweifel.»
«Ich war sehr aufgeregt. Ich habe ohne Beweis Behauptungen aufgestellt.»
Vallon stieg vom Pferd. «Und was sagst du damit? Dass der Verlust deiner eigenen Nachlässigkeit zuzuschreiben ist.»
«Ich war müde, als ich die Falkenkäfige für die Nacht abgedeckt habe.»
Vallons Augen verengte sich zu Schlitzen. «Wayland, ich habe dich schon krank und vollkommen erschöpft erlebt, aber um die Falken hast du dich immer gekümmert.»
«Vielleicht hat Syth vergessen, die Käfige zu versperren.»
Sie riss die Augen auf. «Wayland!»
Vallon trat dicht vor ihn. «Jetzt schiebst du die Schuld also deiner gewissenhaften Helferin zu.» Er stieß Wayland so hart vor die Brust, dass er einen Schritt zurücktaumelte. «Du solltest dich schämen.» Mit ärgerlich hochgerecktem Kinn wandte er sich ab. «Drogo, wenn noch einmal ein Falke unter verdächtigen Umständen verschwindet oder stirbt, warte ich nicht, bis dich ein anderer verdächtigt. Ich mache dich verantwortlich, und ich sage dir auch gleich, wie mein Urteil lauten wird. Ich werde mit dir das Gleiche machen wie du mit den Falken. Ich werde dich und Fulk ausstoßen, damit ihr euer Glück in der Wildnis versuchen könnt.»
Mit einem zornigen Blick auf Wayland ging er davon.
Syths Finger krallten sich in Waylands Arm. «Wie konntest du nur? Du weißt, dass ich es nicht war.»
«Es tut mir leid.»
«Aber? Warum?»
Wayland stöhnte. «Ich musste meine Anschuldigung zurücknehmen. Drogo weiß etwas, das meine eigene Stellung gefährden könnte.»
«Was denn?»
«Das kann ich dir nicht sagen.»
«Aber du hast versprochen, mir alles zu erzählen.»
«Und das habe ich auch. Alles, bis auf das.» Er machte ein paar Schritte vorwärts. «Syth, komm zurück. Bitte, hör mir zu.»
Aber sie war fortgelaufen, und es war dunkel geworden. Das Glöckchen des weißen Falken war aus dem Käfig heraus zu hören, und draußen in der Steppe stimmten die Nomaden die Totenklage an für ihren verlorenen Gefährten.
XLII
S ie fuhren weiter, und auf dem nächsten Abschnitt strömte der Fluss so breit und träge dahin, dass sie das Gefühl hatten, die Schiffe lägen reglos auf dem Wasser und das Land zöge an ihnen vorbei. Zwei Tage nach der Begegnung mit den Nomaden deutete Kolzak auf einen Schwarm Geier, der über einer Klippe am Ostufer kreiste. Igor drehte sich um und gab die Warnung weiter.
«Dort oben wohnt eine russische Bauernfamilie», erklärte Hero Vallon. «Die Lotsen glauben, dass den Leuten etwas zugestoßen ist.»
«Sag ihnen, sie sollen an Land gehen.»
Die Lotsen legten an, und die Soldaten aus Rus stiegen äußerst beklommen aus, um in ihren mit Hanfschnur umwickelten Bastsandalen zaudernd einen Sandweg entlangzugehen. Eine steife Brise trug Aschegeruch und Aasgestank zu ihnen. Das Haus war bis auf die Lehmmauern niedergebrannt worden. Als sie näher kamen, machte sich ein Steppenwolf davon, und drei Geier hüpften von einer halb aufgefressenen Kuh weg, bevor sie abhoben.
Eine fünfköpfige Familie hatte hier gewohnt, erzählten die Lotsen. Wayland entdeckte das, was von dem Familienvater noch übrig war, in einem Buchweizen-Stoppelfeld. Von seiner Frau und den drei Kindern fand sich keine Spur.
«Die Kumanen sind noch nicht lange weg», sagte er. «Höchstens vier Tage.»
Vallon blickte über die Steppe, die sich leicht hügelig bis zum Horizont erstreckte. Es war keine andere menschliche
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