Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
glaube, durch die müsstet ihr aus der Stadt kommen, wobei ich dazusagen muss, dass ich sie selbst nie erkundet habe.«
»D-das hätte ich auch nicht angenommen«, sagte Hadrian, nicht ganz sicher, ob er richtig gehört hatte.
»Es ist eine zwingende Bedingung, dass ihr, wenn ihr flieht, die Stadt verlasst.«
»Das ist kein Problem«, sagte Hadrian. »Wir würden es vermutlich ohnehin tun.«
»Und noch etwas: Ihr müsst meinen Bruder entführen.«
Beide starrten sie an. »Moment, langsam. Wir sollen den Prinzen von Melengar entführen ?«
»Formal ist er jetzt der König von Melengar«, korrigierte ihn Royce.
»Oh, klar, hab ich vergessen«, murmelte Hadrian.
Arista ging zur Zellentür, spähte durchs Guckfenster und kam wieder zurück.
»Warum sollen wir Euren Bruder entführen?«, fragte Royce.
»Weil derjenige, der meinen Vater ermordet hat, als Nächstes Alric töten wird, und zwar vor der Krönung, denke ich.«
»Warum?«
»Um die Linie der Essendons auszulöschen.«
Royce starrte sie an. »Wärt dann nicht auch Ihr gefährdet?«
»Doch, aber ich werde nicht ernstlich bedroht sein, solange man davon ausgeht, dass Alric lebt. Ich bin ja nur die dumme Tochter. Außerdem muss einer von uns hierbleiben, um das Königreich zu regieren und den Mörder meines Vaters zu finden.«
»Und Euer Bruder könnte das nicht?«, fragte Hadrian.
»Mein Bruder ist überzeugt, dass ihr die Mörder seid.«
»Oh, richtig – Ihr müsst mich entschuldigen. Eben noch stand ich kurz vor der Hinrichtung, und jetzt soll ich einen König entführen. Das geht alles ein bisschen schnell für meinen armen Kopf.«
»Was sollen wir mit Eurem Bruder machen, wenn wir ihn erst mal aus der Stadt geschafft haben?«, fragte Royce.
»Ihr sollt ihn ins Gutaria-Gefängnis bringen.«
»Nie gehört«, sagte Royce und sah Hadrian an. Der schüttelte ebenfalls den Kopf.
»Das wundert mich nicht, weil kaum jemand je davon gehört hat«, erklärte Arista. »Es ist ein geheimes kirchliches Gefängnis, das allein die Nyphronkirche unterhält. Es liegt am Nordufer des Windermere-Sees. Ihr wisst, wo das ist?«
Beide nickten.
»Folgt einfach dem Seeufer, da kommt dann eine alte Straße in die Hügel hinauf, die nehmt ihr. Ihr müsst meinen Bruder zu einem Gefangenen namens Esrahaddon bringen.«
»Und dann?«
»Das ist alles«, sagte sie. »Ich hoffe, er kann Alric überzeugend genug erklären, was wirklich im Gange ist.«
»Ihr wollt also«, sagte Royce, »dass wir aus diesem Kerker fliehen, den König entführen, mit ihm im Schlepptau zum Windermere-See reisen, ohne uns von Soldaten erwischen zu lassen, die uns vermutlich unsere Version der Geschichte nicht abnehmen würden, und uns dann in ein geheimes Gefängnis begeben, damit er dort einen Häftling besuchen kann?«
Arista schien nicht belustigt. »Das ist die eine Möglichkeit, die andere ist, euch in vier Stunden zu Tode foltern zu lassen.«
»Klingt für mich nach einem sehr überzeugenden Plan«, erklärte Hadrian. »Royce?«
»Mir gefällt jeder Plan, der nicht beinhaltet, dass ich einen grässlichen Tod sterbe.«
»Gut. Ich werde jetzt zwei Mönche herbeirufen, damit sie euch die letzten Riten zukommen lassen. Ich gebe den Befehl, euch aus den Eisen und dem Stock zu befreien, damit ihr knien könnt. Ihr werdet den Mönchen die Kutten abnehmen und die beiden an eurer Stelle knebeln und festschließen. Eure Sachen liegen gleich draußen beim Kerkeraufseher. Ich werde ihm sagen, dass ihr sie für die Armen mitnehmt.Mein persönlicher Leibwächter Hilfred wird euch in die untere Küche begleiten. Dort wird noch etwa eine Stunde kein Betrieb sein, ihr müsstet also allein und ungestört sein. Ein Gitter am Spülbecken lässt sich hochheben, um Abfälle in die Abwasserkanäle zu schwemmen. Ich werde mit meinem Bruder reden und ihn dazu bringen, sich allein mit mir in der Küche zu treffen. Ich nehme an, ihr seid gute Kämpfer?«
»Er schon.« Royce deutete mit dem Kinn auf Hadrian.
»Mein Bruder nicht, also dürftet ihr keine Mühe haben, ihn zu überwältigen. Aber passt auf, dass ihr ihm nicht wehtut.«
»Es ist wohl wirklich blöd, das zu fragen«, sagte Royce, »aber was garantiert Euch, dass wir Euren Bruder nicht einfach töten, seinen Leichnam in den Abwasserkanälen zurücklassen und verschwinden?«
»Nichts«, sagte sie. »Es geht mir wie euch, ich habe keine andere Wahl.«
***
Die Mönche machten keine Schwierigkeiten, und sobald die Kutten den Besitzer gewechselt
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