Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
fuhr Braga fort: »Du hast deinen Vater verraten. Du hast deinen Bruder verraten. Jetzt wolltest du auch noch mich verraten, mittels desselben Dolchs! Hältst du mich für so dumm?«
Arista blickte zum Fenster und konnte selbst durch den schweren Vorhang erkennen, dass das Mondlicht endlich auf den Dolch gefallen war. Braga folgte ihrem Blick und stutzte. »Warum sind nur an einem Fenster die Vorhänge zu?«
Er ergriff den Vorhang, schlug ihn zurück und enthüllte den mondbeschienenen Dolch. Bei dessen Anblick wankte er zurück, und Arista wusste, dass der Zauber gewirkt hatte.
***
Sie waren noch nicht weit gekommen, lediglich ein paar Meilen. Es ging nur langsam voran, und durch beides zusammen, den Schlafmangel und den vollen Magen, war Alric so müde, dass er befürchtete, jeden Moment aus dem Sattel zu kippen. Myron schien auch nicht viel wacher: Mit hängendem Kopfsaß er hinter einem der Soldaten. Sie folgten einem verlassenen Feldweg, waren dann und wann an einem Bauernhaus vorbeigekommen oder über einen Steg geritten. Zu ihrer Linken lag ein abgeerntetes Maisfeld, auf dem die braunen Stengel nach und nach verrotteten. Zu ihrer Rechten erhob sich ein dunkler Wald, bestehend aus Schierlingstannen und kahlen Eichen, deren Äste über den Weg hingen.
Es war eine weitere kalte Nacht, und Alric schwor sich, in seinem ganzen Leben nie wieder einen Nachtritt zu unternehmen. Er träumte gerade davon, gemütlich in seinem Bett zu liegen, mit einem prasselnden Feuer im Kamin und vielleicht einem Glas heißem Gewürzwein in der Hand, als der Baron überraschend halten ließ.
Trumbul und fünf Soldaten nahmen Alric zwischen sich. Zwei der Männer saßen ab und ergriffen sein Pferd und das von Myron am Zügel. Vier andere Soldaten trabten weiter, außer Sichtweite, während drei weitere ihre Pferde wendeten und wieder in die Richtung ritten, aus der sie gekommen waren.
»Warum haben wir angehalten?«, fragte Alric gähnend. »Warum teilen sich die Männer auf?«
»Das hier ist eine riskante Straße, Majestät«, erklärte Trumbul. »Da gilt es, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Vor- und Nachhut sind unverzichtbar, wenn man in Zeiten wie diesen jemanden wie Euch eskortiert. In dunklen Nächten könnten hier draußen alle möglichen Gefahren lauern. Wegelagerer, Kobolde, Wölfe – man weiß nie, was einem über den Weg läuft. Es heißt sogar, dass auf dieser Straße ein kopf loser Geist spukt, schon gewusst?«
»Nein«, sagte der Prinz. Ihm gefiel der lockere Ton nicht, in dem der Baron plötzlich mit ihm redete.
»O ja, es heißt, es sei der Geist eines Königs, der genauhier starb. Wobei er eigentlich kein König war, nur ein Kronprinz, der vielleicht eines Tages auf den Thron gekommen wäre. Die Geschichte geht so, dass der Prinz eines Nachts in Begleitung seiner tapferen Soldaten nach Hause ritt, als einer der Männer es plötzlich übernahm, dem armen Kerl den Kopf abzuschlagen und die Trophäe in einen Sack zu stecken.« Trumbul hielt inne, zog einen Jutesack aus seiner Satteltasche und zeigte ihn dem Prinzen. »In so einen wie den hier.«
»Was spielt Ihr für ein Spiel, Trumbul?«, fragte Alric.
»Ich spiele gar kein Spiel, Eure Königliche Hochmut. Mir ist nur gerade aufgegangen, dass ich Euch ja nicht am Stück in die Burg zurückbringen muss, um mein Geld zu kassieren; ich brauche nur einen Teil von Euch mitzubringen. Euer Kopf genügt vollkommen. Das spart dem Pferd die Mühe, Euch den ganzen Weg zu tragen, und Pferde mochte ich immer schon. Wenn ich ihnen also irgendwie helfen kann, tue ich es.«
Alric gab seinem Tier die Sporen, aber der Mann, der abgesessen war, hielt es am Zügel fest, sodass es sich nur jäh um die Vorderhand drehte, was Trumbul nutzte, um den Prinzen vom Pferd zu reißen. Alric wollte sein Schwert ziehen, aber Trumbul verpasste ihm einen Tritt in den Bauch. Alric klappte zusammen und lag, nach Luft ringend, am Boden.
Jetzt wandte sich Trumbul Myron zu, der schockiert hinter dem Soldaten auf dem Pferd saß.
»Du kommst mir irgendwie bekannt vor«, sagte Trumbul, als er Myron roh vom Pferd zog. Er drehte das Gesicht des Mönchs ins Mondlicht. »O ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Du warst der wenig hilfsbereite Mönch in dem Kloster, das wir niedergebrannt haben. Du erkennst mich vermutlich nicht wieder, oder? In jener Nacht trug ich einen Helm mitgeschlossenem Visier. Wie wir alle. Unser Dienstherr hatte darauf bestanden, dass wir unsere Gesichter verbargen.« Er
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