Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
ich werde, wenn ich hierher zurückkomme, den ganzen Weiler zur Rechenschaft ziehen – und zwar ausnahmsweise legal.«
Die vier ritten ziemlich lange schweigend dahin. Schließlich stieß Alric hervor: »Es war mein eigener Onkel.« Obwohl er alles tat, um es zu verhindern, kamen ihm nun die Tränen.
»Das hatte ich schon erwogen«, sagte Hadrian. »Der Großherzog steht in der Thronfolge hinter Euch und Arista. Aber ich dachte, als Vertreter Eurer Blutslinie stünde auch er auf der Liste der Mörder. Nur dass er gar nicht Euer leiblicher Onkel ist, oder? Er heißt doch Braga, nicht Essendon.«
»Er hat die Schwester meiner Mutter geheiratet.«
»Lebt sie noch?«
»Nein, sie ist vor fünf Jahren bei einem Brand ums Leben gekommen.« Alric hieb mit der Faust auf den Sattelknauf. »Er hat mich fechten gelehrt! Er hat mir das Reiten beigebracht! Er ist mein Onkel und will mich umbringen lassen!«
Eine Weile sagte niemand etwas, dann fragte Hadrian schließlich: »Wohin reiten wir?«
Alric schüttelte den Kopf, als ob er einen Traum abschüttelnwollte. »Was? Oh, nach Drondilsfeld, Graf Pickerings Burg. Er ist – war – einer der getreuesten Vasallen meines Vaters und besten Freunde der Familie. Und er ist der mächtigste Adlige im Reich. Ich werde von dort aus ein Heer aufstellen und binnen einer Woche nach Medford marschieren. Und wer mich aufzuhalten versucht, dem gnade Maribor!«
***
»War es das, was du sehen wolltest?«, fragte der Großherzog Arista, als er den Dolch von der Fensterbank nahm. Er hielt ihn ihr so hin, dass sie den Namen Percy Braga, aus dem Blut ihres Vaters geformt, auf der Klinge erkennen konnte. »Sieht aus, als hättest du tatsächlich ein paar Sachen von Esrahaddon gelernt. Aber das hier beweist nichts. Ich habe deinen Vater garantiert nicht mit diesem Dolch erstochen. Ich war nicht einmal in der Nähe der Kapelle, als er getötet wurde.«
»Aber du hast den Auftrag dazu gegeben. Du magst ihm den Dolch nicht selbst in den Rücken gestoßen haben, aber du bist der Schuldige.« Arista wischte sich die Tränen weg. »Er hat dir vertraut. Wir alle haben dir vertraut. Du gehörst zur Familie!«
»Es gibt Wichtigeres als Familie, meine Liebe – Geheimnisse, schreckliche Geheimnisse, die um jeden Preis bewahrt werden müssen. Auch wenn du es dir wahrscheinlich schwer vorstellen kannst, ich mochte dich und deinen Bruder und deinen –«
»Wage es nicht, so was zu sagen!«, schrie sie ihn an. »Du hast meinen Vater ermordet!«
»Es musste sein. Wenn du nur die Wahrheit kennen würdest, verstündest du, was wirklich auf dem Spiel steht. Es hatGründe, dass dein Vater sterben musste und Alric ebenfalls.«
»Und ich?«
»Ja, ich fürchte, auch du. Aber bei derlei Dingen gilt es dezent vorzugehen. Ein Mord ist nicht so ungewöhnlich, und Alrics Verschwinden war sehr hilfreich. Wenn alles so gelaufen wäre, wie es geplant war, hätte es viel verdächtiger gewirkt. Ich nehme an, dein Bruder wird in irgendeiner einsamen Gegend weit weg von hier zu Tode kommen. Was dich angeht, hatte ich ursprünglich geplant, dass du Opfer eines tragischen Unfalls würdest, aber du hast mir eine bessere Möglichkeit geliefert. Es wird leichter sein, die Leute zu überzeugen, dass du zwei Diebe gedungen hast, deinen Vater und deinen Bruder zu töten. Verstehst du, ich habe bereits die Grundlagen dafür gelegt, dass es so aussehen wird, als sei da zunächst etwas schiefgegangen. In der Nacht, in der dein Vater getötet wurde, habe ich dafür gesorgt, dass Hauptmann Wylin und ein Trupp Wachen in der Nähe bereitstanden. Ich werde einfach erklären, dass du, nachdem dir der Doppelmord nicht gelungen war, die Mörder befreit hast, damit sie deinen Bruder nachträglich töteten. Wir haben mehrere Zeugen für deine Machenschaften an jenem Abend. Ich werde jetzt augenblicklich deinen Prozess anberaumen und alle Adligen zur Gerichtsversammlung einberufen. Sie werden alles über deinen Verrat, deine Heimtücke und deine verbrecherischen Taten hören. Sie werden erfahren, wie dich intellektuelle Betätigung und das Studium der Hexerei in eine machtgierige Mörderin verwandelt haben.«
»Das wirst du nicht wagen! Wenn du mich vor die Adligen bringst, werde ich ihnen die Wahrheit sagen!«
»Das wird schwer sein, weil du nämlich geknebelt sein wirst. Schließlich« – er blickte auf seinen Namen auf der Dolchklinge – »bist du eine Hexe, und wir können nicht zulassen, dass du uns mit irgendeinem Zauber
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