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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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herausforderte.
    Sie ignorierte ihn. »Es gibt im Internet regierungseigene Seiten. Man braucht dafür besondere Passwörter.« Sie nahm ihr Mobiltelefon, und das Display leuchtete auf.
    Shan warf einen nervösen Blick in die Runde und beugte sich vor. »Sie kennen die Passwörter für das Institut?«
    »Die Öffentliche Sicherheit verfügt über eine neue Datenbank, eine Art Nachschlagewerk aller Organisationen, die für Offiziere von Interesse sein könnten.« Sie las leise von dem kleinen Bildschirm vor. »Das Friedensinstitut in Chamdo ist eine einzigartige Einrichtung, in der buddhistische Lehrer sich die Perspektiven aneignen, mittels derer sie ihre Kader in die Zukunft führen. Den Absolventen des Instituts wird die einstweilige Parteimitgliedschaft verliehen. Manche von ihnen dienen dem Mutterland daraufhin in strategisch wichtigen und oftmals heroischen Funktionen.«
    Die Worte ließen einen kalten Knoten in Shans Magen entstehen. »Gibt es eine Liste der Absolventen?«
    Meng tippte etwas ein, und Shan trank seinen Tee. »Die ist Verschlusssache«, sagte sie verunsichert. »Ein Geheimnis, sogar innerhalb des Büros. Ich lande immer nur bei dem sogenannten internen Manifest des Instituts.« Sie wollte das Telefon abschalten, doch Shan nahm es ihr aus der Hand.
    Das Manifest war kurz und prägnant. Tibeter wurden nicht als Verräter geboren, sondern durch die selbstsüchtige und voreingenommene religiöse Klasse zu einem Leben in Lüge erzogen.Unser Ziel ist es, sie mit Hilfe bewährter sozialistischer Methoden von diesem Irrweg abzubringen und ihnen zu helfen, die Tyrannei ihrer Traditionen zu überwinden. Shan schob das Telefon zurück über den Tisch und sah weg.
    Nach einem Moment leerte er seine Tasse und nahm dann den Deckel der kleinen Teekanne ab, was bedeutete, dass sie nachgefüllt werden sollte. Als der Kellner keine Notiz davon nahm, stand Meng auf und ging mit der Kanne hinein. Sobald sie das Gebäude betreten hatte, verschwand Shan in der Menge. Er musste allein sein, weg von der Öffentlichen Sicherheit. Jamyang hatte in dieser Stadt gelebt. Shan musste seinen Geist finden. Er musste ergründen, was hinter dem überaus unguten Gefühl steckte, das ihn bei dem Gedanken an das Friedensinstitut überkam.
    Er fand sich an einer Bushaltestelle wieder, inmitten einer wartenden Kinderschar in Schuluniformen. Als der Bus kam, ließ er sich von der Menge mitziehen und stieg ein, ohne auch nur einen Blick über die Schulter zu werfen. Er setzte sich auf einen Fensterplatz, obwohl er anfangs weder etwas sah noch fühlte, nur eine grenzenlose Müdigkeit.
    Als er wach wurde, war der Bus fast leer und verließ soeben das Stadtgebiet. Ärmliche Häuserreihen wichen Äckern und trockenen Weiden. Shan stieg bei der nächsten Gelegenheit aus, ging zu der Haltestelle auf der anderen Straßenseite und setzte sich dort auf die Plastikbank. Er hörte ein Lachen, drehte sich um und sah den Rücken eines hochgewachsenen Tibeters mit struppigem weißen Haar und zerlumpter Kleidung. Einen Moment lang verspürte Shan die lächerliche Hoffnung, es wäre Lokesh. Dann wandte der Mann den Kopf, bemerkte Shan und eilte geduckt davon.
    Der Hügel, auf dem er saß, gestattete ihm einen Ausblick auf Chamdo. Es war Tibets drittgrößte Stadt, aber sie lag so einsam, so weit weg von allem anderen, dass sie nur seltenvon Ausländern besucht wurde, und sogar diese wenigen durften nur in organisierten Gruppen anreisen. Es war der perfekte Ort für Unternehmungen der Regierung, die nicht im Licht der Öffentlichkeit stattfinden sollten. Shan sah den Lagerhauskomplex, bei dem Jigten den Lastwagen belud, dann den langen Häuserblock des Instituts, das zu den besterhaltenen Gebäuden der Stadt zählte. Jamyang war dort gewesen, in dieser anonymen Einrichtung einer anonymen, abgelegenen Stadt. Er war im Anzug von hier verschwunden und in einem Mönchsgewand wieder zum Vorschein gekommen.
    Eine Stunde später erreichte Shan die Haltestelle, an der er eingestiegen war. Er zog den dort aufgehängten Stadtplan zu Rate und fuhr mit dem Finger den Umriss des schraffierten, unbezeichneten Rechtecks entlang, das das Institut darstellte. Shan drehte sich kurz um und merkte, dass er zu dem Teehaus schaute und unbewusst nach Meng suchte. Ein weiteres Rätsel ließ ihm keine Ruhe, nämlich die Frage, warum sie ihn so aus der Fassung brachte. Wenn er bei ihr war, fürchtete er sich nicht vor ihr, sondern eher vor sich selbst.
    Er machte sich auf den

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