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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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ein kleines Wörterbuch, aber das ging verloren. Rutger hat Tibetisch gesprochen. Er hat dann meistens für sie ins Englische übersetzt. Sie spricht etwas Chinesisch, so wie ich. Aber als sie mich gefunden hatte, war sie zu entsetzt für Worte. Nach Einbruch der Dunkelheit habe ich sie hergebracht. Sie hat die ganze Nacht geweint. Ich habe sie gehalten, und sie hat geweint, bis keine Tränen mehr gekommen sind. Am nächsten Tag haben wir geredet, und sie hat mich mit Gesten um eine Schere gebeten. Nachdem ich verstanden hatte, was ihre Absicht war, habe ich ihr die richtige Kleidung besorgt und ihr einige der Mantras beigebracht, die wir aufsagen.«
    »Du kannst ihr Haar nicht hierlassen«, sagte Shan. »Es trägt den Geruch einer Ausländerin.«
    Chenmo war verunsichert. »Es ist von ihrem Körper. Es muss sicher verwahrt werden.«
    Shan war im ersten Moment verwirrt, dann erinnerte er sich, dass Chenmo aus einer Nomadenfamilie stammte, in deren Leben und Religion der Aberglaube eine große Rolle spielte. Viele von ihnen glaubten, man könne einer Person Schaden zufügen, indem man ihre Haare oder Fingernägel verbrannte.
    »Wickel das Haar in ein Stück Leder, und dann vergrab es oben auf dem Hang unter einem Felsen«, schlug er vor. »Zusammen mit diesen beiden Gebetsfahnen.«
    »Sie braucht ihre Gebete. Jetzt mehr als je zuvor.«
    »Dann verlegen wir sie an eine andere Stelle. Ich helfe dir dabei, falls du mich zum Lager der Ausländer bringst.«
    Chenmo wandte sich stirnrunzelnd zu den roten Nylonfahnen um und nickte.
    Die Ausländer hatten ihren Lagerplatz klug gewählt. Chenmo führte Shan fast eine Stunde den zerklüfteten Hang hinauf und hielt nur kurz an einem hohen, offenen Sims, damit Shan dort einen kleinen Steinhaufen über dem Haar errichten und die beiden Fahnen an dem obersten Stein befestigen konnte. Als die Novizin schließlich an einem hohen Felsvorsprung stehen blieb, dachte Shan, sie würde sich nur ausruhen. Dann sah er, dass sie die Felswand absuchte. Sie fand einen schmalen Spalt und verschwand dort im Schatten.
    Das blaue Nylonzelt war schon oft den Bergwinden ausgesetzt gewesen. Die sonstige Ausrüstung war die erfahrener Trekker. Der Lagerplatz wirkte unberührt, als wären die zwei Ausländer soeben erst zu einer kurzen Klettertour aufgebrochen.
    Shan bückte sich zum Zelteingang, öffnete den Reißverschluss der Schutzklappe und trat ein. Auf einer Seite lagen zwei aufgeschlagene Daunenschlafsäcke auf Isoliermatten, eine mit einer Decke darauf. Ein Packbeutel aus Nylon enthielt Frauenkleidung, ein anderer Männerkleidung. In einem großen Rucksack waren Klettergeschirre, Fels- und Karabinerhaken verstaut. Auf der anderen Seite lagen fünf kleine, robuste Aluminiumkästen. Shan drehte sich zu Chenmo um, die nervös am Eingang verweilte. »Es müsste hier zwei Rucksäcke geben. Die Frau ist also hierher zurückgekehrt.«
    »Nein. Ich wollte sie ja dazu überreden und habe immer wieder nach hier oben gezeigt und gesagt, es wäre sicherer für sie, aber sie hat sich geweigert. Sie hatte zu viel Angst.«
    Drei der Metallkästen waren zum Transport von Kameras und Objektiven gedacht. Doch die schwarzen Schaumstoffeinlagen waren leer. Der Mörder hatte eine Kamera zerstört, wusste Shan. Der vierte und fünfte Kasten enthielten Plastikbehälterfür kleine Videokassetten und Computer-Speicherkarten. Shan öffnete einen nach dem anderen. Sie waren alle leer.
    »Sie wollte nicht herkommen, weil sie wusste, dass jemand anders hier auftauchen würde«, folgerte Shan. »Jemand, der die Kameras und den Inhalt dieser Kästen in den zweiten Rucksack geworfen hat.« Ihm fiel auf, wie Chenmo den Zugang zum Lagerplatz im Auge behielt. Sie hatte Angst.
    Shan tastete die Schlafsäcke ab und hob die Decke an. Sie war aus billigem grauen Stoff. Er hatte ein ähnliches Exemplar im Lager des Reinen Wassers gesehen. »Was fehlt sonst noch?«, fragte er.
    Die Novizin schritt langsam den Lagerplatz ab. »Ein kleiner Kocher, der mit Gaskartuschen funktioniert. Und Nahrung. Trockennahrung, die sie mit Wasser erhitzt haben.«
    »Wer wusste von diesem Ort?«
    »Die Äbtissin und ich haben Rutger und Cora hier besucht.« Sie zeigte auf einen Kreis aus flachen Felsen. »Dort haben sie eine Mahlzeit zubereitet. Die Äbtissin hat sich nach ihren Welten erkundigt.«
    Shan musterte die Felswände. Auf dem Stein gab es Kreidezeichnungen, manche kunstvoll, andere sehr primitiv. Ein Buddha. Ein Hund. Ein Yak. Ein Herz. Die

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