Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
Ainsworths Haus vorbeifuhr, hörte ich sie rufen.
    »Frohe Weihnachten, Mr. Herriot!« Sie winkte mir fröhlich zu. »Kommen Sie herein und trinken Sie was, um sich aufzuwärmen.«
    Mir war warm genug, aber ich parkte den Wagen ohne Zögern. Das Haus war wieder festlich geschmückt, wie im letzten Jahr, und der köstliche Duft von Putenbraten, Salbei und Zwiebeln regte meine Magensäfte an. Aber das war halb so wichtig. Wichtig war Buster.
    Er sprang nacheinander auf die drei Bassets zu, hielt die Ohren steif, funkelte teuflisch mit den Augen, gab ihnen einen kleinen Tatzenhieb und lief wieder davon.
    Mrs. Ainsworth lachte. »Er ist eine wahre Plage für die Hunde. Läßt ihnen keine Ruhe.«
    Sie hatte recht. Für die Bassets war Buster so etwas wie ein respektloser Eindringling in einen exklusiven Londoner Club. Lange Zeit hatten sie ein maßvolles Leben genossen: Regelmäßige Spaziergänge mit ihrer Herrin, gutes Futter in großen Mengen und lange Stunden friedlichen Schnarchens auf den Teppichen und in den Sesseln. Sie hatten ihre Tage in ungestörter Ruhe verbracht. Bis Buster auftauchte.
    Er tänzelte an den jüngsten Hund heran und reizte ihn. Als er mit beiden Vorderpfoten auf ihn einboxte, war es selbst für den Basset zuviel. Er ließ seine Würde fallen, rollte sich auf den Rücken und ließ sich mit dem Kater in einen kurzen Ringkampf ein.
    »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Mrs. Ainsworth nahm einen harten Gummiball von der Anrichte und lockte Buster in den Garten. Sie warf den Ball über die Wiese, und der Kater sprang ihm behende über den frostigen Rasen nach, nahm ihn mit den Zähnen auf, ließ ihn zu ihren Füßen fallen und sah sie wartend an. Sie warf ihn noch einmal und er brachte ihn wieder zurück.
    Ich glaubte meinen Augen nicht. Ein Kater als Apportierhund! Mrs. Ainsworth sah mich an. »Haben Sie je so etwas gesehen?«
    »Nein«, antwortete ich. »Noch nie. Eine bemerkenswerte Katze.«
    Sie nahm Buster auf den Arm, und wir gingen ins Haus zurück. Sie lachte, als der Kater schnurrte und sich an ihrer Wange rieb.
    »Debbie wäre glücklich«, sagte sie.
    Ich nickte. »Ja, das wäre sie... es ist ein Jahr her, daß sie ihn brachte, nicht wahr?«
    »Genau ein Jahr.« Sie drückte Buster an sich. »Das schönste Weihnachtsgeschenk, das ich je bekommen habe.«

10
     
    Das kleine Haus von Mr. Bailes lag auf halbem Wege nach Highburn, und um in die Farm zu gelangen, mußte man ungefähr zwanzig Meter zwischen zwei hohen Mauern zu Fuß gehen. Links lag das Nachbarhaus und rechts der Garten des Bauernhofes. In diesem Garten hielt sich Shep fast den ganzen Tag über auf.
    Er war ein riesiger Hund und viel größer als ein gewöhnlicher Collie. Eigentlich bin ich sicher, daß er zum Teil ein deutscher Schäferhund war, denn trotz seines üppigen schwarz-weißen Fells war seine Abstammung an den starken Läufen und dem edlen braunen Kopf mit den aufrecht stehenden Ohren zu erkennen.
    Als ich zwischen den Mauern auf das Haus zutrat, war ich im Geiste bereits im Kuhstall, den man am hinteren Ende des Hofes sah. Denn Rose, eine der Kühe von Mr. Bailes, litt an einer jener mysteriösen Verdauungsstörungen, die dem Tierarzt schlaflose Nächte bereiten. Sie sind schwer zu diagnostizieren. Dieses Tier hatte seit zwei Tagen Magenknurren und gab seitdem keine Milch mehr, und als ich sie gestern sah, hatte ich allerlei Überlegungen angestellt. Vielleicht ein Stück Draht. Aber der vierte Magen zog sich normal zusammen, und alle Wiederkaugeräusche klangen gesund. Und sie fraß auch etwas Heu, aber ohne Begeisterung.
    Darmverstopfung vielleicht? Oder Darmverschlingung? Über die Leibschmerzen gab es keinen Zweifel, und dann diese ewige Temperatur von 40,5 Grad – das klang wieder ganz nach einem Stück Draht. Natürlich konnte ich das ganze Problem lösen, indem ich die Kuh aufschnitt, aber Mr. Bailes war vom altmodischen Schlag und schätzte es nicht, wenn man seine Tiere operierte, ohne einen sicheren Befund zu haben. Und den hatte ich nicht.
    Jedenfalls hatte ich sie mit den Vorderhufen hochgestellt und ihr eine starke Dosis Abführmittel gegeben. »Die Därme offenhalten und auf Gott vertrauen«, hatte mir ein Kollege einmal beigebracht. Es steckte viel Wahrheit in diesem Wort.
    Ich war auf halbem Weg zwischen den beiden Mauern, als ein ohrenbetäubender Laut in mein rechtes Ohr drang. Es war wieder einmal Shep.
    Die Mauer war gerade so hoch, daß der Hund hinaufspringen und dem Vorbeigehenden ins Ohr

Weitere Kostenlose Bücher