Der Tierarzt kommt
zu verbergen. Er blies die dicken lila Backen auf, vergrub die Hände in den Taschen seiner Reithosen und blickte gequält himmelwärts.
»Na, dann kommen Sie schon.« Er drehte sich um und stapfte mit seinen kurzen dicken Beinen auf eine der Koppeln im Hof zu. Ich seufzte in mich hinein und folgte ihm. Ein nicht auf Pferde spezialisierter Tierarzt in Yorkshire zu sein, war manchmal recht peinlich, besonders in einem Rennstall wie dem hier, der als ein wahres Heiligtum galt. Siegfried kannte sich, ganz abgesehen von seiner Tüchtigkeit, in der Pferdesprache aus. Er konnte sich mühelos über Zucht und Eigenschaften seiner Patienten unterhalten, ritt gut, jagte und sah auch äußerlich mit seinem aristokratischen Gesicht, seinem kleinen Schnurrbart und seiner schlanken Gestalt wie der passende Mann aus. Die Trainer liebten ihn, und einige, wie Beamish, empfanden es als eine persönliche Beleidigung, wenn er nicht selbst kam, um ihre wertvollen Tiere zu untersuchen.
Er rief einen Stallburschen, der das Koppeltor aufmachte.
»Er ist da drin«, brummte er. »Kam heute früh lahm vom Trainieren zurück.«
Der Bursche führte einen fuchsbraunen Wallach heraus, und es war nicht nötig, das Tier traben zu lassen, denn man sah sofort, daß ihm etwas am Bein fehlte.
»Ich glaube, er ist in der Schulter lahm«, sagte Beamish.
Ich ging um das Pferd und nahm den Vorderfuß auf. Ich säuberte den Huf mit meinem Messer; kein Zeichen einer Verletzung und keine Empfindlichkeit, als ich mit dem Messerknauf an den Huf klopfte.
Ich fühlte dem Bein entlang vom Hufgelenk bis zum Bug, und bei weiterem Betasten entdeckte ich einen Punkt nahe am Oberende der Mittelhand, der das Tier zu schmerzen schien, wenn ich drückte.
Ich blickte aus meiner Hockstellung auf. »Hier scheint es zu sein, Mr. Beamish. Er muß sich mit dem Hinterbein dort angeschlagen haben.«
»Wo?« Der Trainer beugte sich über mich und schaute auf das Bein. »Ich sehe nichts.«
»Nein, die Haut ist nicht verletzt, aber er zuckt, wenn man dort drückt.«
Beamish stieß mit einem seiner Wurstfinger an die Stelle.
»Tatsächlich«, brummte er. »Aber er würde sowieso zucken, wenn Sie ihn so zwicken, wie Sie es tun.«
Sein Ton gefiel mir gar nicht, aber ich ließ es mir nicht anmerken. »Ich bin sicher, daß es das ist. Ich würde ihm einen heißen Breiumschlag am Bug anlegen und die Stelle zweimal am Tag mit kaltem Wasser bespritzen.«
»Na, da liegen Sie bestimmt falsch. Da unten ist es gar nicht. Wenn das Pferd das Bein aufsetzt, sieht man ganz deutlich, daß es in der Schulter ist.« Er winkte den Burschen herbei. »Harry, leg ihm sofort etwas Heißes auf die Schulter da.«
Hätte der Kerl mich geschlagen, so wäre es nicht schlimmer gewesen. Ich wollte ihm gerade etwas entgegnen, aber er ging einfach weg. »Da ist noch ein anderes Pferd, daß Sie sich ansehen sollten«, sagte er. Er führte mich zu einer Box im Stall und zeigte auf ein großes braunes Tier, auf dessen linkem Vorderbein sich Blasen gebildet hatten. »Mr. Farnon hat vor sechs Monaten ein rotes Zugpflaster aufgelegt. Seitdem ist er hier im Stall geblieben. Scheint wieder gesund zu sein – glauben Sie, man kann ihn wieder rauslassen?«
Ich tastete die Sehnen ab und suchte nach Verdickungen. Dann hob ich den Huf, und als ich weiter untersuchte, fand ich eine empfindliche Stelle im Beugemuskel.
Ich richtete mich auf. »Die Stelle ist immer noch ein bißchen empfindlich«, sagte ich. »Ich glaube, es wäre besser, ihn vorläufig noch im Stall zu lassen.«
»Da bin ich anderer Meinung«, schnappte Beamish. Er wandte sich an den Stallburschen. »Führ ihn hinaus, Harry.«
Ich starrte ihn an. Wollte er mich durch den Kakao ziehen? Oder wollte er mir nur beweisen, daß er nicht viel von mir hielt? Jedenfalls fing er an, mir reichlich auf die Nerven zu gehen, und ich hoffte nur, daß mein rotes Gesicht mich nicht verriet.
»Noch was«, sagte Beamish. »Da ist noch ein Pferd, das hustet. Schauen Sie es sich an, bevor Sie gehen.«
Harry trat auf eine Box zu. Ich folgte ihm und nahm das Thermometer heraus.
Als ich von hinten an das Tier trat, legte es die Ohren zurück und wurde unruhig. Ich zögerte und nickte dann dem Burschen zu.
»Heben Sie ihm das Bein auf, während ich die Temperatur messe«, sagte ich.
Der Bursche bückte sich und griff nach dem Fuß, aber Beamish unterbrach ihn. »Laß das, Harry. Ist nicht nötig. Der ist sanft wie ein Lamm.«
Ich hielt inne. Ich hatte das Gefühl,
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