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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Geisteszustand bitter, wie viele leblose Körper er wohl schon nach einem Abend in seinem Garten in ihre Wagen verfrachtet haben mochte.
    Endlich hatten sie mich drin, und ich lag halb auf dem Rücksitz. Ich hielt mein Gesicht an das Seitenfenster gepreßt und muß von draußen mit meiner zur Seite gebogenen Nase und den starr in die Nacht glotzenden Augen ein ziemlich grotesker Anblick gewesen sein.
    Mit großer Anstrengung konzentrierte ich meinen Blick auf Zoe, die sich besorgt an das Fenster beugte. Sie winkte mir zaghaft einen Abschiedsgruß zu, den ich jedoch nur noch mit einem schwachen Zucken der Wange beantworten konnte.
    Granville küßte Helen zärtlich, dann schlug er die Wagentür zu. Er trat zurück, blickte zu mir herein und hot die Arme.
    »Kommt bald wieder, Jim. Es war ein herrlicher Abend!«
    Sein Gesicht verklärte sich in einem glücklichen Lächeln, und als wir abfuhren, hatte ich als letztes den Eindruck, daß er sehr zufrieden war.

16
     
    Eines Abends saß ich mit Tristan im Wohnzimmer, als das Läuten des Telefons uns aufschreckte.
    Er griff von seinem Lieblingssessel aus zum Hörer.
    »Allo, wer sprechen dort, bitte?« fragte er.
    Er hörte eine Weile zu und schüttelte dann den Kopf.
    »Nein, nein, isch bedauern sehr, aber Miester Farnon ist nischt zu ‘aus. Ja, isch werde ihm sagen, wenn er kommt nach ‘aus. Serr gut. Isch ihm sagen. Widdersehn.«
    Diese Vorstellung gehörte zu seiner Art, aus jeder Situation einen Spaß zu machen. Er tat es nur, wenn ihm danach zumute war, aber es kam hin und wieder vor, daß die Farmer mir sagten, irgendein Ausländer sei am Telefon gewesen.
    Tristan lehnte sich behaglich mit seiner Zeitung in den Sessel zurück und wollte sich gerade eine Zigarette anzünden, als es wieder läutete.
    »Ja, bitter sähr, was wollen? Wäm wünschen Sie, äh?«
    Ich hörte ein tiefes Grollen am andern Ende der Leitung, und Tristan schnellte plötzlich hoch. Der Daily Mirror und die Zigaretten fielen zu Boden.
    »Jawohl, Mr. Mount«, sagte er ganz normal. »Nein, Mr. Mount. Jawohl, Mr. Mount, ich richte es sofort aus. Vielen Dank, Mr. Mount. Auf Wiedersehen.«
    Er ließ sich in den Sessel zurückfallen und seufzte. »Das war Mr. Mount.«
    »Das habe ich mir gedacht. Du siehst ganz schön mitgenommen aus, Tris.«
    »Ja... ja... es war ein bißchen unerwartet.« Er las seine Zigaretten auf und zündete sich eine an.
    »Zweifellos«, sagte ich. »Weshalb hat er denn angerufen?«
    »Ach, es ist ein Zugpferd. Hat was am Hinterfuß.«
    Ich machte mir eine Notiz, dann wandte ich mich wieder Tristan zu. »Ich weiß nicht, wie du in deinem hektischen Liebesleben dazu die Zeit hast, aber wie ich höre, gehst du mit seiner Tochter aus. Stimmt’s?«
    Tristan nahm die Zigarette aus dem Mund und betrachtete das glühende Ende. »Ja, ich habe Deborah Mount ein paarmal ausgeführt. Warum fragst du?«
    »Ach, nur so. Ihr alter Herr kommt mir eine Spur zu eindrucksvoll vor.«
    Ich sah Mr. Mount vor mir. Ein wahrer Berg von einem Mann. Über den wuchtigen Schultern saß ein wie gemeißelter Kopf, und er hatte die größten Hände, die ich je gesehen habe – etwa dreimal so groß wie die meinen.
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte Tristan. »Er ist kein schlechter Kerl.«
    »Ich habe überhaupt nichts gegen ihn.« Mr. Mount war sehr fromm, und er hatte den Ruf, streng, aber gerecht zu sein. »Ich würde ihm nur nicht gern Rede stehen, wenn er mich fragt, ob ich mit den Gefühlen seiner Tochter herumspiele.«
    Tristan schluckte, und ein besorgter Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Ach, das ist doch lächerlich. Ich habe zu Deborah eine rein freundschaftliche Beziehung.«
    »Freut mich, das zu hören«, sagte ich. »Ich habe gehört, ihr Vater ist in der Beziehung ziemlich streng, und ich sähe es nicht gern, wenn er dich mit seinen Riesenpranken an der Gurgel packte.«
    Tristan sah mich beleidigt an. »Manchmal bist du direkt ein sadistisches Schwein, Jim. Nur weil ich hie und da gern in weiblicher Gesellschaft bin...«
    »Ach, laß nur, Tris, ich mache ja nur Spaß. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wenn ich morgen Mr. Mount besuche, werde ich ihm nicht erzählen, daß Deborah zu deinem Harem gehört, das verspreche ich dir.« Ich wich einem auf mich gezielten Kissen aus und ging die Medizin für die morgigen Visiten einpacken.
    Aber am nächsten Morgen, als Mr. Mount aus dem Haus trat, fand ich meinen Witz nicht mehr allzu komisch. Seine Gestalt füllte den Türrahmen aus, dann

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