Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
einfach nicht vertrage. Eine einzige Räucherwurst konnte mein ganzes Verdauungssystem lahmlegen, aber in diesem Augenblick erschien mir das als eine belanglose Kleinigkeit.
    »Mach dir keine Sorgen, Helen«, flüsterte ich und legte meinen Arm um sie. »Ich werd sie schon vertragen.«
    Als Zoe mit dem Essen kam, war Granville in seinem Element. Er schlitzte die saftigen Würste der Länge nach auf, bestrich sie mit Senf und legte ein Brötchen dazu.
    Als ich den ersten Bissen aß, glaubte ich, noch nie so etwas Köstliches geschmeckt zu haben. Ich konnte gar nicht begreifen, daß mir die Wurst früher nie bekommen war.
    »Wie wär’s mit noch einer?« Granville lud mir eine neue Prachtportion auf den Teller.
    »Bitte. Sie schmecken einfach herrlich. Hab noch nie so gute Würstchen gegessen.« Ich verschlang sie und griff nach einer dritten.
    Ich glaube, es war nach der fünften Wurst, als mein Freund mich in die Rippen stieß.
    »Jim, mein Junge«, sagte er. »Jetzt sollten wir Bier trinken, um die runterzuwaschen. Findest du nicht auch?«
    Ich winkte mit dem Arm. »Aber klar! Dazu taugt der verdammte Gin nicht gut.«
    Granville schenkte zwei Halbliterkrüge Faßbier ein. Das köstliche Starkbier ergoß sich kühl über meine entzündeten Schleimhäute und gab mir das Gefühl, ich hätte mein ganzes Leben lang darauf gewartet. Wir tranken jeder drei Krüge, aßen noch ein paar Würste und ich fühlte mich wie im Paradies.
    Helen warf mir gelegentlich sorgenvolle Blicke zu, aber das machte mir gar nichts aus. Sie gab mir diskret zu verstehen, daß es Zeit zur Heimfahrt war, aber ich mochte nicht einmal daran denken. Ich amüsierte mich großartig, die Welt war ein herrlicher Ort, und der kleine Privatpub hier ihr schönster Teil.
    Granville legte ein halbes Brötchen auf den Teller zurück. »Zoe, mein Täubchen, jetzt wäre etwas Süßes am Platze. Bring uns doch ein paar von den klebrigen kleinen Dingern, die du gestern gebacken hast.«
    Sie kam mit einer Schüssel voll äußerst nahrhaft aussehendem Gebäck zurück. Ich bin kein Freund von Süßigkeiten, und im allgemeinen verzichte ich gern auf die Nachspeise, aber heute machte ich mich begierig über Zoes Meisterwerke her. Sie sahen sehr lecker aus, und ich schmeckte Schokolade, Marzipan und Karamel. Beim dritten Stückchen wurde es mir etwas mulmig. Mein fröhliches Geplauder verstummte, nur Granville redete noch, und während ich ihm leicht bedöst zuhörte, stellte ich überrascht fest, daß sein Gesicht sich verdoppelte, zusammenschmolz und sich wieder verdoppelte. Es war ein erstaunliches Phänomen, und es zeigte sich auch an allen Gegenständen im Raum.
    Jetzt fühlte ich mich auf einmal nicht mehr so gesund. Die grenzenlose Energie, die ich in meinen Adern gespürt hatte, verließ mich, und mir wurde langsam übel.
    Ich verlor jedes Zeitgefühl. Das Gespräch schien zwar weiterzugehen, aber ich konnte mich an nichts erinnern und weiß nur noch, daß wir schließlich aufbrachen. Granville half Helen in den Mantel, und es herrschte allgemeine fröhliche Abschiedsstimmung.
    »Na Jim, bist du soweit?« fragte mein Freund aufmunternd.
    Ich nickte, rappelte mich langsam auf die Beine, und als ich schwankte, legte er mir den Arm um die Schulter und half mir zur Tür.
    Draußen hatte sich der Nebel gelichtet, und ein glänzender Sternenhimmel lag über dem Dorf, aber in der frischen Luft fühlte ich mich noch elender, und ich torkelte in der Dunkelheit wie ein Schlafwandler. Als ich den Wagen erreichte, durchzuckte mich ein beißender Krampf. Mit grauenhafter Deutlichkeit brachten sich die Würste, der Gin und alles übrige in Erinnerung. Ich stöhnte auf und lehnte mich an den Wagen.
    »Helen, vielleicht sollten lieber Sie fahren«, sagte mein Kollege. Er wollte gerade die Tür öffnen, als ich mit einem schrecklichen Gefühl der Hilflosigkeit zu Boden ging.
    Granville packte mich bei den Schultern. »Wir setzen ihn lieber nach hinten«, sagte er und zog mich auf den Rücksitz. »Zoe, mein Engel, und Helen, mein Goldherz, nehmt jede ein Bein, ja? Schön, jetzt gehe ich auf die andere Seite und ziehe ihn rein.«
    Er lief um den Wagen, öffnete die andere Tür und griff mir unter die Arme.
    »Helen, Kindchen, ein bißchen mehr nach drüben. Und jetzt schieben. Ein bißchen mehr auf deine Seite, Zoe, mein Kätzchen. Eine Kleinigkeit zurück. So ist’s fein. Wunderbar.«
    Er klang wie ein fachmännischer Möbelpacker, und ich fragte mich in meinem verschwommenen

Weitere Kostenlose Bücher