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Der Tiger im Brunnen

Der Tiger im Brunnen

Titel: Der Tiger im Brunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Gangsterbosse davoneilten. »Bist du so weit in Ordnung, Reuben? Du schaust jetzt am besten nach Mrs Katz und den anderen. Komm, gehen wir.«
    Dann eilte auch er die dunkle Treppe hinunter und hinaus in den strömenden Regen, Bill an den Fersen.
     
    Harriet saß ganz still. Da war ein Pferd, das konnte sie hören, und unter ihrer Hand war es kühl und weich, ähnlich dem Platz in der Droschke, in der sie mit Mama gefahren war.
    Männer unterhielten sich. Es war dunkel. Mama hatte gesagt, sie müsse ein tapferes Mädchen sein, also war sie jetzt tapfer. Mama war auch tapfer gewesen, früher im Dschungel mit den bösen Affen.
    Aber Rebekka war nicht mehr da. Plötzlich sehnte sie sich nach ihr. Die Männer hatten nicht gewollt, dass Rebekka mitkam, und sie geschlagen. Auch Mr Katz hatten sie geschlagen.
    Es war kalt. Sie nahm den Daumen in den Mund und lutschte angestrengt, aber sie heulte nicht. Sie blieb einfach nur still sitzen.
     
    Sally erwachte aus wirren, qualvollen Träumen und lag nun, sich auf die Lippen beißend, im Dunkeln. Eliza atmete gleichmäßig und schlief offenbar tief und fest. Draußen schlug es ein Uhr.
    Es war zwecklos, sie konnte nicht mehr einschlafen. Sie war so hellwach, dass sie stundenlang im Bett liegen und keinen Schlaf mehr finden würde.
    Nun, sie kannte ihr nächstes Ziel: die Büroräume im zweiten Stock. Dort gab es sicherlich belastendes Material, das sie aber erst einmal finden musste.
    Sally streckte die Füße über die Bettkante, zitterte, als sie die kalten Dielenbretter berührten, und fischte nach ihren Wollstrümpfen. Sie hielt einen Augenblick inne und suchte dann im Korb nach einem schweren, kalten Gegenstand, ihrem Revolver.
    Die Versuchung war zu groß. Er würde in der Tasche ihres Mantels Platz finden. Gewiss, sie würde ihn nicht benutzen, aber er gab ihr ein Gefühl der Sicherheit …
    Die Waffe war schwer und baumelte unangenehm an ihrer Seite. Auf halbem Weg treppab wünschte sie schon, sie hätte sie nicht mitgenommen, doch das war nun nicht mehr zu ändern. Als sie die Tür auf dem zweiten Stockwerk öffnete, schlug der Revolvergriff gegen den Türrahmen. Fast eine Minute lang verharrte Sally reglos und wagte kaum zu atmen.
    Doch nichts geschah und so ging sie weiter. Der Schein der Lampe vor dem Schlafzimmer des Zaddik im ersten Stock drang bis hier herauf und ließ sie die vagen Umrisse von Türen und Geländern erkennen. Auf Zehenspitzen bewegte Sally sich auf dem Linoleumboden bis zu der Tür, hinter der sich das Büro des Sekretärs befand.
    Ob sie sich öffnen ließ? Ja.
    Plötzlich ein furchtbarer Gedanke: War der Affe auf diesem Stockwerk? Oder schlief er im Zimmer des Zaddik?
    Hör nicht auf zu denken. Schau dich um. Beweg dich rasch, aber sei achtsam.
    Die Fensterläden waren offen, so dass der schwache Lichtschein der Straßenlaterne durch die regentrüben Fenster drang – hell genug, um die Regale hinter dem Schreibtisch erkennen zu können – und darauf etwas, das Sally sehr vertraut war: Hauptbücher. Vielleicht hatte sie am Ende doch Glück und würde etwas finden, das ihr weiterhalf. Durfte sie es wagen, eine Kerze anzuzünden?
    Der Revolver machte sie zuversichtlich. Sollte das Schlimmste eintreten, könnte sie sich damit immer noch den Weg frei schießen. Sie zündete den Kerzenstumpf in dem emaillierten Halter an, stellte ihn auf den Schreibtisch und holte das erste Buch aus dem Regal.
    Es schien eine Auflistung von Zahlungen an das Hauspersonal zu sein: Hieran war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Sie warf einen raschen Blick über die Seiten und stellte es dann wieder zurück. Das nächste Buch betraf die Verwaltung eines Aktienbestandes. Der Zaddik besaß offenbar ein breites, gut sortiertes Portfolio, das sehr kompetent und, wie sie sehen konnte, gewinnbringend geführt wurde. Aber auch hier gab es nichts, was ein vermögender Gentleman hätte verbergen müssen. Sally stellte das Buch zurück und griff zum nächsten. Sie sah insgesamt fünf weitere durch und fand ausschließlich tadellos geführte Belege für einen Import-Export-Handel. Doch dann, im achten Buch, stieß sie auf etwas Interessantes.
    Es schien eine Aufstellung von Zahlungen zu sein, die aus verschiedenen Quellen stammten. Die Beträge variierten und waren in unterschiedlichen Währungen angegeben. In einem Fall handelte es sich um wöchentliche Zahlungen über rund zweihundert Pfund. Die Zahlen kamen ihr irgendwie bekannt vor, doch Sally konnte sie mit nichts in

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