Der Tigermann
aufs Bett.Sein Geist suchte Kontakt mit den Brüdern und fast sofort kam die Bestätigung: »Wir hören!«
Er berichtete, was vorgefallen war.
»Nun brauche ich eure Kraft, Brüder. Ich muß mich auf astraler Ebene bewegen können. Ich muß den Tempel durchsuchen, ohne daß man mich sehen kann. Doch das schaffe ich nicht ohne Hilfe. Unterstützt ihr mich?«
»Wir helfen dir«, kam die Antwort aus der Ferne. »Mache dich bereit.«
Sein Vorhaben konnte ihn das Leben kosten oder ihn zum stammelnden, geistlosen Idioten machen, aber Eli verdrängte die Angst aus seinem Bewußtsein.
Er begann sich auf einen imaginären Punkt blauen Lichtes, einen halben Meter vor seinen geschlossenen Augen, zu konzentrieren. Der Lichtpunkt wuchs an Intensität und Größe. Er dehnte sich aus, bis sein ganzes Inneres von ihm durchdrungen war.
»Ich bin bereit«, dachte er zurück.
Dann war ihm, als streichle eine Vielzahl von sanften Händen seinen Körper.
»Erhebe dich, Bruder«, erklang es in ihm.
Er schwebte langsam in die Höhe. Aber als er zurückblickte, lag er noch auf dem Bett. Sein Astralleib hatte sich von seinem Körper gelöst und war nur durch einen leuchtenden, silbrigen Faden, so ungreifbar wie sein Astralleib, mit ihm verbunden.
Dieser dünne Faden war sein Leben, das einzige, was ihn zu seinem Körper zurückbringen konnte. Wenn er durchtrennt würde, gäbe es keine Rückkehr und er wäre verdammt, für immer durch die Halbwelt zu wandern, nicht lebendig, nicht tot, ein Geist unter Geistern.
Aber der Faden würde nicht von allein reißen. Er konnte nur durch einen Wissenden durchschnitten werden. Nur ein Magus des Linken Pfades vermochte den Lebensfaden zu durchtrennen. War Saiva ein Magus? Eli glaubte es nicht. Würde er sich so starkauf physische Kräfte verlassen, wenn er die okkulten absolut beherrschte?
Eli schwebte auf die Tür zu, ehe er sich entsann, daß Mauern kein Hindernis mehr für ihn darstellten. Er schwebte durch die Wand und hoch über die schlafende Stadt.
Hier und dort sah er Astralwesen. Aber sie interessierten ihn nicht. Es handelte sich lediglich um die Astralleiber der Schlafenden, deren Geist sich auf Suche nach etwas gemacht hatten, von dem sie selber nichts ahnten.
Er nahm direkten Kurs auf den Tempel, und der Faden hinter ihm wurde immer länger. Als er über die Stadt schwebte, empfing er die Gedanken, die Wünsche und Sehnsüchte, das Leid und den Schmerz der Menschen unter sich. Aber er mußte ihnen seinen Geist verschließen, durfte sich nur auf sein Ziel konzentrieren.
Unter ihm erstreckte sich nun- die riesige Anlage des Kali-Tempels. Sie schien sich endlos auszudehnen, wie ein kauerndes Monster inmitten der Stadt, wie eine tödliche Krebsgeschwulst.
Er ließ sich tiefer hinab, schwebte auf den Tempel zu, leicht wie die winzigen Fallschirme des verblühenden Löwenzahns. Er konnte die abstoßende Wandmalerei erkennen, die Schlangen von Gläubigen, die trotz der späten Stunde noch auf Einlaß in den Tempel warteten. Kalipuja war nahe, und die Anhänger der Göttin belagerten den Tempel Tag und Nacht. Eli empfand großes Mitleid mit ihnen, bedauerte sie, weil sie dem Wahn verfallen waren, den die Kali-Priester in ihnen geweckt hatten; weil sie an das absolute Nichtsein glaubten, und auch wegen dem, was sie sich selbst und anderen zufügen würden.
Eine lange Weile, eine Zeitspanne, die sich nicht in Minuten normaler Zeit messen ließ, die lediglich Nichtzeit war, schwebte er unentschlossen über dem Bauwerk.
Er spürte eine- tiefe Abneigung davor, sich in diesenTempel des Blutes zu begeben. Und doch, er mußte es tun.
Eine Ausstrahlung kam von diesem Ort, ähnlich der von Menschen. Es war, als ob die alten Steine ihre eigene Aura verbreiteten. Und warum sollte es auch nicht so sein? Diese Mauern hatten soviel menschliches Leid, soviel Schrecken und Grauen und Blut und Tod erlebt, daß sie es nicht für sich behalten konnten.
Schließlich schwebte er zum Hauptteil des Tempels hinab. Sein Astralleib machte sich bereit, durch das Dach der riesigen Halle zu dringen. Er erwartete ohne Schwierigkeit, ohne Widerstand hindurchzukommen.
Aber plötzlich, unerklärlicherweise, stoppte etwas seinen Vorstoß. Sein Astralleib vermochte seinem Willen nicht zu gehorchen. Es war, als flattere er gegen eine unsichtbare, aber undurchdringliche Wand. Wieder und immer wieder versuchte er ins Tempelinnere zu gelangen, diese unfaßbare Barriere zu überwinden, aber sie hielt.
Die Priester
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