Der Tigermann
Bestattungen statt. Zwei kleine Scheiterhaufen mit kaum ausreichend Holz, die Leichen anzusengen, geschweige denn sie zu verbrennen.
Der entfernteste war der wahrscheinlichste. Ein riesiger Scheiterhaufen, dessen Flammen hoch aufloderten und der von Kali-Priestern umringt war.
Sie schienen seine Gegenwart zu spüren, denn als er herangaloppierte, wandte einer von ihnen sich um und deutete auf ihn. Schnell begannen die anderen weitere Scheite auf die Flammen zu werfen.
»Hugo!« schrie sein Geist in Trauer. »O Hugo…«
Das mußten die Priester büßen, was immer es ihn auch kosten würde.
Eine schreckliche Szene begann sich abzuspielen, als er fast heran war.
Mit einem Mal schien das Zentrum des Feuers zu explodieren. Eine riesige, in Flammen gehüllte Gestalt, an der glühende Holzteilchen klebten, sprang aus der Lohe mitten unter die Priester. Die verkohlten Reste der Fesseln hingen noch an ihren Arm- und Fußgelenken.
Der Schock lähmte die Priester. Als sie fliehen wollten, war es schon zu spät. Die Fäuste des Franzosen schlugen zwei zu Boden. Einen anderen packte Hugo am Kragen und schüttelte ihn wie ein Terrier eine Ratte. Der Körper wurde schlaff, als das Rückgrat brach.
All das war im Laufschritt geschehen. In ihrer blinden Panik rasten die Priester auf den Fluß zu – und ins Wasser. Aber sie fanden dort keinen Schutz.
Das Licht der Scheiterhaufen war das sichere Zeichen für die Krokodile, daß es bald Futter gab. Sie blieben wach und warteten.
Eli hörte einen gellenden Schrei und sah das braune Wasser in rotem Schaum aufwallen und den ersten Priester in der Tiefe verschwinden. Der zweite hielt halb wahnsinnig vor Angst an. Was sollte er wählen? Den Tod in den gierigen scharfen Zähnen vor sich, oder die Vernichtung durch das tobende Feuer oder den rasenden Franzosen hinter sich?
Ein zweites Krokodil traf die Entscheidung für ihn. Im Wasser verborgen, erfaßten die spitzen Zähne sein Bein und zerrten ihn hinaus in die Flußmitte. Es dauerte eine Weile, ehe der Kopf verschwand.
Nun war nur noch einer übrig. Er stand bis zu den Oberschenkeln im Wasser und hatte offenbar mehr Angst vor den Krokodilen als vor Hugo. Er drehte sich um und versuchte an dem Franzosen vorbeizukommen, von dem Dampf aufstieg, als er kurz seinen angesengten Körper untertauchte. Aber Hugos gewaltige Pranken ergriffen ihn am Nacken und drückten ihn unter Wasser.
Auch er selbst tauchte noch einmal unter, um die letzten Flammen zu löschen, die noch an seiner Kleidung und seinem Haar zehrten.
Einen langen Moment waren nur die nackten, strampelnden Beine des Priesters zu sehen, den Hugo am Grund festhielt. Dann wurde das Strampeln schwächer, hörte schließlich ganz auf. Hugo tauchte wieder auf.
»Alles in Ordnung, Hugo?« rief Eli, der am Ufer stand, besorgt.
»Gut angebraten, aber noch nicht ganz durch, Monsieur«, erwiderte der Franzose. Trotz seiner Sorge mußte Eli lächeln. Das war der erste Witz, den er Hugo je hatte machen hören.
»Schaffst du es zum Palast zurück?«
»Eine Minute noch, M’sieu. Das Wasser ist so angenehm kühl.«
»Es hat aber auch ein paar gefährliche Bewohner – paß auf, Hugo!«
Hinter dem Franzosen schäumte der Fluß. Der häßliche schuppige Kopf mit aufgerissenem Rachen und den kalten Augen schoß auf ihn zu.
Hugo schwang mit der Geschmeidigkeit einer Katze herum. Seine ganze Wut explodierte in einem einzigen, gewaltigen Hieb. Seine Faust prallte auf die Schnauze, und das Krokodil verschwand aus Elis Sicht. Es tauchte auch nicht mehr auf. Ob es jedoch tot oder nun kampfunfähig war, konnte Eli nicht beurteilen. Jedenfalls atmete er erleichtert auf, als Hugo an Land watete.
Das Feuer hatte große Löcher in seine Kleidung gefressen und sein Kopfhaar völlig verzehrt. Fast seine gesamte Haut wies die Rötung von Verbrennungen ersten Grades auf, aber von seinen Hand- und Fußgelenken abgesehen, die er direkt in die Glut gelegt hatte, um die Fesseln zu lösen, schien er keine ernsthaften Verbrennungen davongetragen zu haben.
Hugo erzählte, wie er in die Falle gelockt worden war, und seine Beschämung darüber schien größer als sein Ärger über die Tücke der Priester.
»Ich gehöre bestraft«, murmelte er. »Ich habe mich…«
»Bestraft, Hugo! Du hast genug gelitten, mehr als genug. Es wird Zeit, daß wir in den Palast zurückkommen.«
Er befahl einem Angehörigen der berittenen Garde, der das ganze Schauspiel miterlebt hatte und Hugo nun mit ehrfürchtiger
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