Der Tod auf dem Nil
Ordnung, dass ich ihn mir ansehe.»
«Das war ja sehr gnädig von ihr», sagte Poirot trocken.
Die arglose Cornelia pflichtete ihm ahnungslos bei. «Oh, sie ist sehr gut zu mir. Es ist einfach wunderbar, dass sie mich auf diese Reise mitnimmt. Ich habe das Gefühl, ich bin ein Glückskind. Ich konnte es kaum fassen, als sie meiner Mutter vorschlug, mich mitzunehmen.»
«Und Ihnen macht es Spaß – ja?»
«Oh, es war schon wunderbar! Ich habe Italien gesehen – Venedig und Padua und Pisa – und dann Kairo – bloß, in Kairo ging es Cousine Marie nicht sehr gut, deshalb konnte ich mir nicht viel ansehen, und jetzt diese wunderbare Tour nach Wadi Halfa und wieder zurück.»
Poirot lächelte. «Sie haben ein sonniges Gemüt, Mademoiselle.» Nachdenklich ließ er seinen Blick von ihr zu Rosalie schweifen, die schweigend und mürrisch allein vor ihnen hertrottete.
«Sie sieht sehr hübsch aus, nicht wahr?», fragte Cornelia, die seinen Blick mitbekommen hatte. «Nur ein bisschen herablassend. Sie ist natürlich sehr englisch. Nicht so schön wie Mrs. Doyle. Mrs. Doyle ist, glaube ich, die schönste und eleganteste Frau, die ich je gesehen habe! Und ihr Mann küsst ja geradezu den Boden, auf dem sie geht, nicht wahr? Die Dame mit den grauen Haaren sieht irgendwie sehr fein aus, finde ich. Finden Sie nicht? Sie ist, glaube ich, die Cousine von einem Herzog. Sie hat gestern Abend über ihn erzählt, ganz in unserer Nähe. Sie selbst hat aber keinen Adelstitel, oder?»
Sie schwatzte weiter, bis der Dolmetscher «Halt!» rief und mit seinem Sermon begann: «Dieser Tempel war dem Gott Amun und dem Sonnengott Ra-Harachte geweiht – dessen Symbol ist der Habichtskopf…» So leierte er weiter.
Dr. Bessner murmelte, den Baedeker in der Hand, vor sich hin. Er zog das geschriebene Wort vor.
Tim Allerton war nicht mitgekommen. Seine Mutter taute gerade den reservierten Mr. Fanthorp auf. Andrew Pennington hörte, eingehakt bei Linnet Doyle, aufmerksam zu und schien höchst interessiert an den Maßen und Zahlen, die der Dolmetscher-Führer weiter herunterbetete.
«Zwanzig Meter soll der hoch sein? Sieht mir ein bisschen niedriger aus. Toller Bursche, dieser Ramses. Ägyptischer Schlaukopf.»
«Ein großartiger Geschäftsmann, Onkel Andrew.»
Andrew Pennington sah sie anerkennend an. «Du siehst gut aus heute Morgen, Linnet. Ich habe mir ja in letzter Zeit ein bisschen Sorgen gemacht. Du hattest so was Verhärmtes.»
Plaudernd kam die kleine Gruppe zurück aufs Schiff. Dann glitt die Karnak weiter den Nil hinauf. Die Landschaft war jetzt nicht mehr so rau, sondern voller Palmen und Felder.
Es war, als hätte der Wechsel irgendeinen geheimen Druck weggenommen, der auf den Passagieren gelastet hatte. Tim Allerton hatte seinen Anfall von schlechter Laune überwunden. Rosalie sah nicht mehr so mürrisch aus. Linnet wirkte fast heiter.
Pennington sprach sie an. «Es ist zwar taktlos, mit einer Flitterwöchnerin über Geschäfte zu reden, aber es gibt da ein oder zwei Sachen –»
«Aber wo, natürlich, Onkel Andrew.» Linnet schaltete sofort um auf Geschäftsfrau. «Dass ich jetzt verheiratet bin, ändert natürlich einiges.»
«Genau darum gehts. Irgendwann oder so möchte ich, dass du ein paar Papiere unterschreibst.»
«Warum nicht gleich?»
Andrew Pennington sah sich um. Sie waren ziemlich ungestört in ihrer Ecke des Aussichtssalons. Die meisten Leute waren draußen auf dem Stück Deck zwischen dem Aussichtssalon und den Kabinen. Im Salon waren nur Mr. Ferguson – er saß an einem Tischchen in der Mitte, biertrinkend, die Beine in der schmutzigen Flanellhose lang ausgestreckt, und pfiff, wenn er gerade keinen Schluck nahm, vor sich hin –, Monsieur Hercule Poirot am Tisch vor ihm und Miss Van Schuyler in einer anderen Ecke in ein Buch über Ägypten vertieft.
«Ja, gut», sagte Andrew Pennington und verließ den Salon.
Linnet und Simon lächelten sich an – es war ein Lächeln von der lang gedehnten Art, das ein paar Minuten braucht, um sich voll zu entfalten.
«Alles in Ordnung, Schatz?», fragte er endlich.
«Ja, immer noch… Komisch, dass ich gar nicht mehr so aufgewühlt bin.»
«Du bist wunderbar», antwortete Simon im Ton tiefster Überzeugung.
Pennington kam zurück mit einem Packen eng beschriebener Papiere.
«Himmel!», rief Linnet. «Muss ich die alle unterschreiben?»
Andrew Pennington sagte entschuldigend: «Es ist ein bisschen viel verlangt, ich weiß, aber ich möchte gern, dass deine
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