Der Tod auf dem Nil
gehe auch», pflichtete Pennington bei.
«Kommst du, Simon?»
«Jetzt noch nicht», sagte Doyle langsam. «Ich glaube, ich nehme erst noch einen Schluck.»
Linnet nickte und ging hinaus, Race folgte ihr. Pennington trank sein Glas leer und ging ebenfalls.
Cornelia fing an ihr Stickzeug zusammenzulegen.
«Gehen Sie noch nicht zu Bett, Miss Robson», sagte Jacqueline. «Bitte nicht. Ich habe Lust, die Nacht durchzumachen. Lassen Sie mich nicht allein.»
Cornelia setzte sich wieder.
«Wir Mädels müssen doch zusammenhalten», sagte Jacqueline. Sie warf den Kopf zurück und lachte – ein schrilles, sehr unfröhliches Lachen.
Der zweite Gin kam.
«Trinken Sie auch etwas», sagte Jacqueline.
«Nein, vielen Dank», antwortete Cornelia.
Jacqueline wippte mit dem Stuhl nach hinten und summte dazu sehr laut: «Er war ihr Mann und er tat ihr weh … »
Mr. Fanthorp blätterte eine Seite weiter in «Europa von innen».
Simon Doyle nahm eine Illustrierte.
«Ich glaube, ich gehe jetzt wirklich zu Bett», sagte Cornelia. «Es ist schon sehr spät.»
«Sie können jetzt nicht zu Bett», verfügte Jacqueline. «Ich verbiete es Ihnen. Erzählen Sie mir von sich.»
«Na ja – ich weiß nicht. Da gibt es nicht viel zu erzählen», stotterte Cornelia. «Ich habe immer zu Hause gewohnt, ich bin noch nicht weit herumgekommen. Das ist meine erste Reise nach Europa. Und ich liebe einfach jede Minute davon.»
Jacqueline lachte. «Sie sind eine glückliche Natur, nicht? Gott, ich wäre gern Sie.»
«Oh, Sie? Aber, ich meine – bestimmt –»
Cornelia war verwirrt. Miss de Bellefort trank mit Sicherheit zu viel. Für Cornelia war so etwas zwar nicht gerade sensationell, sie hatte eine Menge Trunkenheit während der Prohibition gesehen. Aber da war noch etwas… Jacqueline de Bellefort redete mit ihr – sah sie an – und trotzdem hatte Cornelia das Gefühl, als redete sie irgendwie zu jemand anderem…
Aber es gab doch nur noch zwei andere Leute im Salon, Mr. Fanthorp und Mr. Doyle. Mr. Fanthorp schien ganz in sein Buch vertieft. Mr. Doyle sah allerdings ziemlich merkwürdig aus – er hatte etwas argwöhnisch Beobachtendes im Gesicht.
Jacqueline sagte noch einmal: «Erzählen Sie mir von sich.»
Die stets folgsame Cornelia versuchte es. Sie erzählte ziemlich umständlich und mit unnötigen winzigen Einzelheiten aus ihrem täglichen Leben. Sie war es überhaupt nicht gewohnt, selbst zu reden. Ihre Rolle war, ständig zuzuhören. Aber Miss de Bellefort schien alles Mögliche wissen zu wollen. Sie drängte sogar, wenn Cornelia anfing zu stottern und zu schweigen: «Nur zu – erzählen Sie weiter.»
Und so erzählte Cornelia weiter («Natürlich ist Mutter sehr empfindlich – an manchen Tagen rührt sie nur Getreideflocken an…»), in dem unangenehmen Bewusstsein, dass alles, was sie sagte, hochgradig uninteressant war, und gleichzeitig geschmeichelt, weil das andere Mädchen sich scheinbar dafür interessierte. Aber tat sie das wirklich? Hörte sie nicht eigentlich woanders hin – auf etwas anderes vielleicht? Sie sah zwar Cornelia an, schon, aber saß da nicht jemand anders im Raum? «Wir haben natürlich sehr guten Kunstunterricht und letzten Winter hatte ich –» (Wie spät war es eigentlich? Bestimmt sehr spät. Sie hatte ja geredet und geredet. Wenn doch nur irgendetwas Richtiges passierte –)
Und dann passierte etwas, auf der Stelle, als wäre es eine Reaktion auf ihren Wunsch. Nur dass es in diesem Augenblick völlig normal schien.
Jacqueline drehte den Kopf und sprach Simon Doyle an. «Drück die Klingel, Simon. Ich möchte noch etwas zu trinken.»
Simon Doyle sah von der Illustrierten hoch und sagte ruhig: «Die Stewards sind schlafen gegangen. Es ist nach Mitternacht.»
«Und ich sage, ich möchte noch etwas zu trinken.»
«Du hast mehr als genug getrunken, Jackie.»
Sie schwang herum. «Was geht dich das denn an?»
Er zuckte die Schultern. «Nichts.»
Sie starrte ihn lange an. Dann sagte sie: «Was ist denn los, Simon? Hast du Angst?»
Simon gab keine Antwort, sondern nahm umständlich seine Illustrierte wieder zur Hand.
Cornelia murmelte: «Oh, Himmel – schon so spät – ich – muss –» Sie fing an herumzunesteln und ließ den Fingerhut fallen.
Jacqueline sagte: «Gehen Sie nicht zu Bett. Ich brauche eine zweite Frau hier – zu meiner Unterstützung.» Sie lachte auf. «Wissen Sie, wovor unser Simon hier Angst hat? Er hat Angst, dass ich Ihnen die Geschichte meines Lebens
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