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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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jungen Damen.» Poirot schüttelte unzufrieden den Kopf. «Ich habe Angst, mein Freund», sagte er, «ich fürchte… Heute habe ich jener Dame, Madame Doyle, geraten, mitsamt ihrem Mann nach Khartum weiterzufahren und nicht an Bord zurückzukehren. Aber beide wollten nicht. Ich bete zum Himmel, dass wir ohne Katastrophen in Shellal ankommen.»
    «Sehen Sie das nicht alles ein bisschen düster?»
    Wieder schüttelte Poirot den Kopf. «Ich habe Angst», sagte er schlicht. «Ja, ich, Hercule Poirot, habe Angst…»

Zwölftes Kapitel
     
    C ornelia Robson stand im Tempel von Abu Simbel. Es war der Abend des nächsten Tages – ein heißer, stiller Abend. Die Karnak hatte noch einmal in Abu Simbel Anker geworfen, damit die Passagiere den Tempel ein zweites Mal besichtigen konnten, diesmal im Kunstlicht. Der Unterschied war beträchtlich, und Cornelia sprach erstaunt Mr. Ferguson darauf an, der neben ihr stand. «Ah, jetzt kann man das so viel besser sehen!», rief sie aus. «All diese Feinde, denen der König die Köpfe abgeschlagen hat – die heben sich jetzt viel besser ab. Da ist ja auch ein tolles Schloss, das hatte ich noch gar nicht bemerkt. Schade, dass Dr. Bessner nicht hier ist, der könnte mir erklären, was das ist.»
    «Wie Sie den alten Trottel aushalten, ist mir ein Rätsel», maulte Ferguson.
    «Wieso, das ist einfach einer der freundlichsten Männer, die mir je begegnet sind.»
    «Ein aufgeblasener alter Langweiler.»
    «Ich finde, Sie dürfen über ihn nicht so reden.»
    Plötzlich packte der junge Mann ihren Arm. Sie traten gerade aus dem Tempel ins Mondlicht.
    «Warum liegt Ihnen so viel daran, sich von einem alten Fettsack anöden – und von einer bösartigen alten Vettel kujonieren und schikanieren zu lassen?»
    «Aber Mr. Ferguson!»
    «Haben Sie denn gar keinen Mumm? Wissen Sie nicht, dass Sie genauso gut sind wie die?»
    «Bin ich doch gar nicht!» Cornelia sagte es aufrichtig überzeugt.
    «Sie sind nicht so reich; das ist aber auch alles.»
    «Nein, ist es nicht. Cousine Marie hat Kultur und –»
    «Kultur!» Der junge Mann ließ ihren Arm ebenso abrupt wieder los, wie er ihn gepackt hatte. «Bei dem Wort wird mir übel.»
    Cornelia sah ihn entsetzt an.
    «Sie mag es nicht, wenn Sie mit mir reden, nicht?», fragte der junge Mann.
    Cornelia lief rot an und sah verlegen drein.
    «Und warum nicht? Weil sie denkt, ich bin ihr gesellschaftlich nicht ebenbürtig! Pah! Sehen Sie da nicht rot?»
    Cornelia stotterte: «Mir wäre es lieber, Sie würden sich nicht so aufregen.»
    «Aber ist Ihnen denn nicht klar – Sie sind doch Amerikanerin –, dass jeder Mensch frei und gleich geboren ist?»
    «Stimmt doch gar nicht», sagte Cornelia ruhig und fest.
    «Mein gutes Mädchen, das steht in Ihrer Verfassung!»
    «Cousine Marie sagt, Politiker sind keine Gentlemen», erwiderte Cornelia. «Und Menschen sind natürlich nicht gleich. Das ist Unsinn. Ich weiß, ich sehe irgendwie hausbacken aus, und früher hat mich das manchmal beschämt, aber darüber bin ich jetzt weg. Ich wäre auch lieber so elegant und schön wie Mrs. Doyle geboren worden, bin ich aber nicht, also ist es wohl auch unnütz, sich darüber zu ärgern.»
    «Mrs. Doyle!», rief Ferguson mit tiefster Verachtung. «Das ist die Sorte Frau, die erschossen gehört, als Exempel.»
    Cornelia sah ihn besorgt an. «Das ist bestimmt Ihre Verdauung», sagte sie fürsorglich. «Ich habe eine besondere Pepsin Art, die Cousine Marie mal probiert hat. Möchten Sie die auch mal versuchen?»
    Mr. Ferguson sagte nur: «Sie sind unmöglich!» Dann drehte er sich um und eilte davon.
    Cornelia ging zurück zum Schiff. Als sie die Gangway betreten wollte, hatte er sie wieder eingeholt. «Sie sind der netteste Mensch an Bord», sagte er. «Vergessen Sie das bloß nie.»
    Cornelia wurde rot vor Freude und lief zum Aussichtssalon. Dort saß Miss Van Schuyler ins Gespräch mit Dr. Bessner vertieft – ein freundliches Gespräch über gewisse königliche Patienten, die er hatte. Cornelia sagte schuldbewusst: «Ich hoffe, ich war nicht zu lange weg, Cousine Marie.»
    Die alte Dame sah auf die Armbanduhr und schnarrte sie an: «Beeilt hast du dich nicht gerade, meine Liebe. Und was hast du mit meiner Samtstola angestellt?»
    Cornelia sah sich um. «Soll ich nachsehen, ob sie in der Kabine ist, Cousine Marie?»
    «Natürlich ist sie da nicht! Ich hatte sie hier drin nach dem Dinner und ich habe diesen Raum nicht verlassen. Sie lag auf dem Stuhl da.»
    Cornelia suchte

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