Der Tod auf dem Nil
wäre ich doch lieber tot… Ich bringe mich um. Es wäre besser, wenn ich tot wäre… Oh, was habe ich getan… was habe ich getan?»
Cornelia stürzte zu ihr. «Schschsch, Liebes, beruhigen Sie sich.»
Simon drängte mit schweißüberströmtem, schmerzverzerrtem Gesicht: «Schaffen Sie sie weg. Schaffen Sie sie um Gottes willen hier raus! Bringen Sie sie in ihre Kabine, Fanthorp. Bitte, Miss Robson, holen Sie Ihre Pflegerin.» Er sah flehend von einer zum anderen. «Lassen Sie sie nicht allein. Sehen Sie zu, dass sie in Sicherheit ist und die Pflegerin auf sie aufpasst. Dann schnappen Sie sich den alten Bessner und schaffen ihn hierher. Und sorgen Sie um Gottes willen dafür, dass meine Frau nichts davon mitkriegt.»
Jim Fanthorp nickte einverständlich. Im Notfall war der schweigsame junge Mann offenbar besonnen und kompetent. Cornelia und er schleppten gemeinsam die wimmernde, um sich schlagende Jacqueline aus dem Salon und übers Deck zu ihrer Kabine. Dort fing sie wieder an, Ärger zu machen, wollte sich losreißen, schluchzte noch lauter. «Ich gehe ins Wasser… Ich ertränke mich… Ich bin nicht lebenstüchtig… Oh, Simon – Simon!»
Fanthorp sagte zu Cornelia: «Holen Sie lieber Miss Bowers. Ich bleibe so lange hier.»
Cornelia nickte und lief los.
Kaum war sie draußen, klammerte Jacqueline sich an Fanthorp. «Sein Bein – es blutet – gebrochen… Wenn er nun verblutet. Ich muss zu ihm… Oh, Simon – Simon – wie konnte ich nur?» Sie wurde wieder lauter.
Fanthorp bat inständig: «Ruhig – ganz ruhig… Er wird schon wieder.»
Sie schlug wieder um sich. «Lassen Sie mich los! Ich will über Bord springen… Lassen Sie mich sterben!»
Fanthorp packte sie an der Schulter und drückte sie aufs Bett. «Sie müssen hier bleiben. Machen Sie nicht so viel Wirbel. Reißen Sie sich zusammen. Es ist alles in Ordnung, ganz bestimmt.»
Zu seiner Erleichterung wurde das durchgedrehte Mädchen wirklich ein bisschen gefasster, trotzdem war er froh, als der Vorhang aufging und die tüchtige Miss Bowers hereinkam, in einem scheußlichen Kimono, aber adrett und mitsamt Cornelia.
«Nun», fragte sie forsch, «was ist hier los?» Dann übernahm sie das Kommando ohne eine Andeutung von Erstaunen oder Beunruhigung.
Fanthorp überließ die völlig überreizte Jacqueline dankbar Miss Bowers’ geschulten Händen und lief zu der von Dr. Bessner bewohnten Kabine. Er klopfte und trat sofort danach ein. «Dr. Bessner?»
Dem entrang sich zuerst ein gigantischer Schnarcher, dann eine verdutzte Stimme: «Wie? Was gibts?»
Fanthorp hatte inzwischen Licht gemacht. Der Doktor blinzelte ihn an und sah aus wie ein riesiger Uhu.
«Es geht um Doyle. Er wurde angeschossen. Miss de Bellefort hat geschossen. Er ist im Aussichtssalon. Können Sie mitkommen?»
Der beleibte Doktor war sofort bereit. Er stellte ein paar kurze Fragen, zog Hausschuhe und Morgenmantel an, griff sein Köfferchen und folgte Fanthorp in den Salon.
Simon hatte es mittlerweile geschafft, das Fenster neben sich zu öffnen. Er lehnte mit dem Kopf an der Scheibe und sog frische Luft ein. Sein Gesicht war totenbleich.
Dr. Bessner ging zu ihm. «Ha! Na? Was haben wir denn hier?»
Ein blutgetränktes Taschentuch lag am Boden und der Teppich hatte einen dunklen Fleck.
Der Doktor unterbrach seine Untersuchung hin und wieder mit teutonischen Grunzlauten und Ausrufen. «Tja, sieht böse aus… Der Knochen ist gesplittert. Viel Blutverlust. Herr Fänssorp, Sie und ich, wir müssen ihn in meine Kabine bringen. So – sehen Sie. Er darf nicht gehen. Wir müssen ihn tragen, so.»
Sie hatten ihn gerade hochgehoben, als Cornelia in der Tür erschien. Der Doktor grunzte zufrieden bei ihrem Anblick. «Ach, Sie sinds? Fabelhaft. Kommen Sie mit. Ich brauche eine Assistentin. Sie können das bestimmt besser als mein junger Freund hier. Der ist schon ein bisschen blass um die Nase.»
Fanthorp lächelte ziemlich matt. «Soll ich Miss Bowers holen?», fragte er.
«Die junge Dame hier wird das tadellos machen», erwiderte Dr. Bessner. «Sie kippen doch nicht um oder drehen durch, hm?»
«Ich tue alles, wie Sie es wollen», sagte Cornelia eifrig.
Er nickte zufrieden. Die Prozession zog über das Deck. Die folgenden zehn Minuten waren chirurgisch drastisch und Mr. Fanthorp kam damit gar nicht gut zurecht. Er genierte sich auch, weil Cornelia in solchen Dingen offenbar stärker war.
«So», verkündete Dr. Bessner endlich, «besser kriege ich das nicht hin. Sie
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