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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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erzähle.»
    «Ach, wirklich?» Cornelia war im Bann widersprüchlicher Gefühle. Das Ganze war ihr schrecklich peinlich, aber gleichzeitig spürte sie einen wohligen Schauer. Wie – wie finster Simon Doyle aussah.
    «Tja, das ist nämlich eine sehr traurige Geschichte», sagte Jacqueline mit sanfter, leiser und ironischer Stimme. «Er hat mich sehr schlecht behandelt, nicht wahr, Simon?»
    Simon Doyle sagte grob: «Geh ins Bett, Jackie. Du bist betrunken.»
    «Wenn es dir peinlich ist, Simon, mein Lieber, dann solltest du lieber gehen.»
    Simon Doyle sah sie an. Die Hand mit der Illustrierten zitterte leicht, aber er sagte fest und hart: «Ich bleibe.»
    Cornelia murmelte zum dritten Mal: «Ich muss wirklich – es ist so spät –»
    «Sie sollen nicht gehen», erwiderte Jacqueline und drückte sie in den Stuhl zurück. «Sie sollen dableiben und hören, was ich zu sagen habe.»
    «Jackie», sagte Simon scharf, «du machst dich lächerlich! Geh um Gottes willen ins Bett.»
    Jacqueline schoss im Stuhl hoch. Die Wörter brachen nur so aus ihr heraus, schnell und zischend wie ein Strom. «Du hast Angst vor einer Szene, nicht wahr? Weil du so englisch bist – so zugeknöpft. Du willst, dass ich mich ‹anständig› benehme, nicht wahr? Mir ist aber ganz egal, ob mein Benehmen anständig ist oder nicht! Du solltest lieber machen, dass du hier rauskommst – weil ich jetzt nämlich erzähle – und zwar eine Menge.»
    Jim Fanthorp klappte leise sein Buch zu, gähnte, sah auf seine Uhr, stand auf und ging. Ein sehr britischer und ausgesprochen unglaubwürdiger Auftritt.
    Jacqueline fuhr herum und starrte Simon an. «Du verdammter Idiot», sagte sie mit belegter Stimme, «hast du geglaubt, du kannst so mit mir umspringen und damit durchkommen?»
    Simon Doyle machte den Mund auf, aber gleich wieder zu. Er saß einfach schweigend da, als ob er hoffte, ihr Ausbruch würde von selbst erlahmen, wenn er nichts sagte, was sie noch mehr hätte reizen können.
    Jacquelines Stimme war belegt und nicht sehr deutlich. Die an schiere Emotion jedweder Art nicht gewöhnte Cornelia war fasziniert.
    «Ich habe dir erklärt», fing Jacqueline wieder an, «eher bringe ich dich um, als dass ich zusehe, wie du zu einer anderen Frau gehst… Glaubst du etwa, ich habe das nicht so gemeint? Dann irrst du dich. Ich habe bisher nur – gewartet! Du bist mein Mann! Hörst du? Du gehörst mir…»
    Noch immer schwieg Simon. Jacqueline nestelte eine Zeit lang auf ihrem Schoß herum. Dann beugte sie sich vor: «Ich habe dir gesagt, dass ich dich umbringe, und das habe ich ernst gemeint…» Und plötzlich schoss ihre Hand hoch und hielt etwas Blitzendes, Schimmerndes. «Ich werde dich erschießen wie einen Hund – wie der räudige Hund, der du bist…»
    Jetzt endlich handelte Simon. Er sprang auf, aber im selben Augenblick drückte sie ab…
    Simon krümmte sich, stürzte – fiel auf einen Stuhl… Cornelia schrie auf und rannte zur Tür. Jim Fanthorp lehnte über der Reling an Deck. Sie rief ihn. «Mr. Fanthorp… Mr. Fanthorp…»
    Er lief zu ihr, sie klammerte sich an ihn. «Sie hat ihn erschossen –! Oh, sie hat ihn erschossen…»
    Simon Doyle lag da, wie er gefallen war, quer über dem Stuhl… Jacqueline stand wie gelähmt daneben. Sie zitterte heftig und starrte aus angstvoll aufgerissenen Augen auf den karmesinroten Fleck, der sich auf Simons Hosenbein ausbreitete, direkt unter dem Knie; er presste ein Taschentuch auf die Stelle.
    «Ich wollte doch nicht… Oh, mein Gott, ich wollte wirklich nicht…», stieß sie hervor.
    Die Pistole entglitt ihrer bebenden Hand und fiel klappernd zu Boden. Sie schubste sie mit dem Fuß weg. Sie schlitterte unter eins der Sofas.
    Simon stöhnte mit schwacher Stimme: «Fanthorp, um Himmels willen… da kommt jemand… Sagen Sie, es ist alles in Ordnung… ein Unfall… irgendwas. Es darf keinen Skandal deshalb geben.»
    Fanthorp begriff sofort und nickte. Er lief zur Tür, in der ein verstörtes nubisches Gesicht aufgetaucht war, und sagte: «In Ordnung – alles in Ordnung! War nur Spaß!»
    Das schwarze Gesicht sah erst skeptisch, dann verwirrt und schließlich beruhigt drein. Danach zeigte der schwarze Boy ein breites Grinsen, nickte und ging davon.
    Fanthorp kam wieder zurück. «Geht in Ordnung. Glaub nicht, dass irgendjemand sonst etwas gehört hat. Klang ja auch bloß wie ein Korken. Als Nächstes muss man –» Er brach ab.
    Jacqueline hatte plötzlich hysterisch zu wimmern angefangen. «O Gott,

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