Der Tod auf dem Nil
acht.»
«Das heißt, zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens.»
«So ist es.»
Wieder gab es eine Schweigepause. Race sah sich um. «Was ist mit ihrem Mann? Ich nehme an, er schläft in der Kabine nebenan.»
«Im Augenblick», sagte Dr. Bessner, «schläft er in meiner Kabine.»
Beide Männer sahen ihn überrascht an.
Bessner nickte mehrmals hintereinander. «Ach so. Ich sehe, Sie haben noch nicht erfahren, dass Mr. Doyle gestern Abend im Salon angeschossen wurde.»
«Angeschossen? Von wem?»
«Von der jungen Dame, Jacqueline de Bellefort.»
Race fragte erregt: «Ist er schwer verwundet?»
«Ja, der Knochen ist gesplittert. Ich habe alles getan, was im Augenblick möglich ist, aber der Bruch muss geröntgt werden, wissen Sie, so schnell wie möglich, und er muss korrekt versorgt werden, wie es an Bord gar nicht geht.»
Poirot murmelte: «Jacqueline de Bellefort.» Sein Blick wanderte wieder zu dem J auf der Wand.
Race sagte brüsk: «Wenn es nichts mehr gibt, was wir hier im Augenblick tun können, lassen Sie uns nach unten gehen. Der Veranstalter hat uns den Rauchsalon zur Verfügung gestellt. Wir müssen herausfinden, was gestern Nacht im Einzelnen passiert ist.»
Sie verließen die Kabine. Race verschloss die Tür und nahm den Schlüssel an sich.
«Wir können später wiederkommen», sagte er. «Zuallererst müssen wir alle Fakten klären.»
Sie gingen zum Unterdeck, wo der Manager der Karnak-Tour schon ungeduldig in der Tür zum Rauchsalon stand und auf sie wartete. Der arme Mann war furchtbar aufgeregt und besorgt über die ganze Angelegenheit und wollte nichts lieber, als alles in Colonel Race’ Hände zu legen.
«Ich finde es am allerbesten, alles Ihnen zu überlassen, Sir, Sie sind ja von Amts wegen hier. Ich hatte auch schon Order, mich in der – äh – anderen Angelegenheit zu Ihrer Verfügung zu halten. Wenn Sie die Sache übernehmen, sorge ich dafür, dass alles nach Ihren Wünschen getan wird.»
«Guter Mann! Zunächst möchte ich, dass dieser Raum hier für mich und Monsieur Poirot freigehalten wird, während der ganzen Ermittlung.»
«Selbstverständlich, Sir.»
«Das ist alles für den Augenblick. Machen Sie weiter mit Ihrer eigenen Arbeit. Ich weiß ja, wo ich Sie finde.»
Etwas erleichtert verließ der Manager den Raum.
Race sagte: «Setzen Sie sich, Bessner, und erzählen Sie uns, was gestern Abend passiert ist, die ganze Geschichte.»
Schweigend hörten sie der grollenden Stimme des Doktors zu.
«Alles klar», sagte Race danach, «das Mädchen hat sich in Rage geredet, mit Hilfe von ein, zwei Drinks obendrein, und schließlich mit einer Zweiundzwanziger auf den Mann geballert. Und dann ist sie in Linnet Doyles Kabine gegangen und hat auf sie ebenfalls geschossen.»
Aber Dr. Bessner schüttelte den Kopf. «Nein, nein, das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass das möglich gewesen wäre. Erstens würde sie nicht ihren eigenen Anfangsbuchstaben an die Wand schreiben; das wäre doch albern, nicht wahr?»
«Doch», erklärte Race, «wenn sie so blindwütig und eifersüchtig war, wie sie klingt; vielleicht wollte sie ihre – na ja – Unterschrift unter das Verbrechen setzen, sozusagen.»
Auch Poirot schüttelte den Kopf. «Nein, nein, ich glaube nicht, dass sie so – grob wäre.»
«Dann gibt es nur eine Erklärung für das J. Jemand anders hat es dort absichtlich hingeschrieben, um den Verdacht auf sie zu lenken.»
Bessner nickte. «Ja, und der Verbrecher hat Pech gehabt, denn, sehen Sie, es ist nicht nur unwahrscheinlich, dass das junge Fräulein den Mord begangen hat; es ist, glaube ich, auch unmöglich.»
«Wie das?»
Bessner erläuterte, wie hysterisch Jacqueline gewesen war und unter welchen Umständen Miss Bowers sie unter ihre Fittiche genommen hatte. «Und ich glaube – ich bin sicher –, dass Miss Bowers die ganze Nacht bei ihr geblieben ist.»
Race stellte fest: «Wenn das so ist, dann macht es die Sache sehr viel einfacher.»
«Wer hat das Verbrechen entdeckt?», fragte Poirot.
«Mrs. Doyles Dienstmädchen, Louise Bourget. Sie ging wie üblich zu ihr, fand sie tot und lief wieder hinaus und sank ohnmächtig dem Steward in die Arme. Der ging zum Manager und der kam zu mir. Ich habe mir Dr. Bessner geschnappt und bin dann zu Ihnen gekommen.»
Poirot nickte.
Race sagte: «Doyle muss es erfahren. Sie sagen, er schläft noch?»
Bessner nickte. «Ja, er schläft noch in meiner Kabine. Ich habe ihm gestern Nacht ein starkes Opiat gespritzt.»
Race
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