Der Tod auf dem Nil
worden waren die vermutlich Monate davor. Übrigens waren eine Menge Leute sogar der Meinung, dass sie das selbst getan hatte!»
«Joanna war der Meinung, nehme ich an.»
«Joanna war gar nicht dabei.»
«Aber sie kannte die Portarlingtons sehr gut. Und die Art Kommentar sieht ihr sehr ähnlich.»
«Du hast einfach immer etwas gegen Joanna, Mutter.»
Poirot wechselte rasch das Thema. Er habe vor, in einem der Läden in Assuan einen richtig großen Einkauf zu machen, einen sehr verlockenden purpurroten, mit Gold durchwirkten Stoff bei einem der indischen Händler. Er werde ihn natürlich verzollen müssen, aber… «Man hat mir gesagt, sie können das – wie sagt man – zu mir expedieren. Und das kostet auch nicht allzu viel. Was denken Sie, es wird gut ankommen?»
Mrs. Allerton sagte, soweit sie gehört habe, seien alle Sachen, die von Läden dieser Art direkt nach England geschickt wurden, immer sicher angekommen.
«Bien. Dann werde ich das tun. Aber welchen Ärger hat man, wenn man im Ausland ist und ein Päckchen aus England bekommt! Hatten Sie auch damit Erfahrung? Haben Sie schon Päckchen bekommen, während Sie auf Reisen waren?»
«Das hatten wir, glaube ich, nicht, oder, Tim? Du kriegst manchmal Bücher, aber mit denen gibt es natürlich nie Ärger.»
«Ah, non, Bücher sind etwas anderes.»
Der Nachtisch war aufgetragen. Und jetzt stand, ohne jede Vorwarnung, Colonel Race auf und hielt seine Rede. Er nahm Bezug auf das Kapitalverbrechen und gab den Diebstahl der Perlenkette bekannt. Eine Durchsuchung des Schiffs werde gleich vorgenommen, und er wäre allen Passagieren sehr verbunden, wenn sie im Speisesaal blieben, bis sie durchgeführt worden sei. Danach seien sie, ihr Einverständnis vorausgesetzt, wovon er aber ausgehe, sicher so freundlich, sich selbst ebenfalls einer Durchsuchung zu unterziehen.
Poirot erhob sich behände, um zu Race hinüberzugehen. Ringsum gab es ein großes Gesumme und Gebrumme. Skeptische Stimmen, indignierte, aufgeregte…
Poirot erwischte Race gerade, als dieser den Speisesaal verlassen wollte, und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Race hörte zu, nickte zustimmend und winkte einen Steward herbei. Dem gab er kurze Anweisungen; dann trat er zusammen mit Poirot hinaus an Deck und zog die Saaltür hinter ihnen zu.
Ein paar Minuten lang standen sie an der Reling. Race zündete sich eine Zigarette an. «Keine schlechte Idee, die Sie da hatten», sagte er. «Gleich werden wir sehen, ob etwas dran ist. Ich gebe Ihnen drei Minuten.»
Die Tür zum Speisesaal ging auf und der Steward, mit dem er kurz vorher gesprochen hatte, kam heraus. Er nahm Haltung an und meldete Race: «Sehr richtig, Sir. Da ist eine Dame, die sagt, es sei dringend, sie müsse sofort und unverzüglich mit Ihnen sprechen.»
«Ah!» Race’ Gesicht verriet Zufriedenheit. «Welche ist es?»
«Miss Bowers, Sir, die Krankenschwester.»
Ein leiser Hauch Überraschung trat auf Race’ Gesicht. Er sagte: «Bringen Sie sie in den Rauchsalon. Und lassen Sie niemand sonst hinaus.»
«Nein, Sir – der andere Steward passt darauf auf.» Er ging zurück in den Speisesaal.
Poirot und Race machten sich auf den Weg zum Rauchsalon. «Bowers also», murmelte Race.
Sie waren kaum im Rauchsalon, als der Steward mit Miss Bowers auftauchte. Er schob sie hinein, ging wieder hinaus und schloss die Tür.
«Nun, Miss Bowers?» Colonel Race sah sie eindringlich an. «Was soll das alles?»
Miss Bowers gab sich, wie es ihre Art war, gefasst und ohne Hast. Sie zeigte keinerlei Gefühlsregung. «Ich bitte um Verzeihung, Colonel Race», erklärte sie, «aber unter diesen Umständen hielt ich es für das Beste, sofort mit Ihnen zu sprechen…» Sie öffnete ihre adrette schwarze Handtasche. «… und Ihnen das hier zurückzugeben.»
Sie zog eine Perlenkette heraus und legte sie auf den Tisch.
Einundzwanzigstes Kapitel
H ätte Miss Bowers zu den Frauen gehört, die es mit Freuden auf Sensationen anlegen, wäre sie angesichts der Wirkung ihres Handelns reichlich auf ihre Kosten gekommen. Ein Ausdruck äußersten Erstaunens überzog Colonel Race’ Gesicht, als er die Perlen vom Tisch nahm. «Das ist höchst überraschend», sagte er. «Würden Sie das freundlicherweise erklären, Miss Bowers?»
«Selbstverständlich. Deshalb bin ich ja hier.» Miss Bowers machte es sich in einem Sessel bequem. «Natürlich ist mir die Entscheidung, was ich am besten tue, ein bisschen schwer gefallen. Die Familie wäre natürlich gegen jede
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