Der Tod aus dem Norden
erklärte der Inspektor. Suko gab der Tür mit dem Knie noch einen zusätzlichen Stoß und rammte sie nach außen.
Er verließ den Jeep als erster. Sofort nahm ihn der Wind gefangen. Wie mit gewaltigen Schaufeln griff er nach ihm, weil er ihn von den Beinen holen wollte. Suko mußte sich tatsächlich am Wagen festklammern, um den nötigen Halt zu finden.
Dem Reverend erging es ebenso. Über ihnen krachte und splitterte es im Geäst. Da schlugen die Zweige gegeneinander, als wollten sie sich mit einem besonderen Konzert Gehör verschaffen. Rinde, Zweige, Gras und Blätter bildeten einen Durcheinander, dem so leicht keiner entgehen konnte.
Vor dem Kühlergrill trafen sie sich. »Wohin?« schrie Suko.
Castor deutete geradeaus. »Bleiben Sie immer hinter mir.«
»Okay, dann fangen Sie die Äste ab.«
»Mal sehen.«
Die Böen wechselten die Richtung. Mal hämmerten sie von vorn gegen die beiden Männer, dann wiederum drehten sie sich blitzartig und überfielen sie von der Seite.
Castor gab einmal nicht acht. Ein Schwall erwischte ihn und schleuderte den Mann gegen einen querliegenden Baum, den sie überklettern mußten, um weiterzukommen.
»Und das ohne Bezahlung!« keuchte Suko. »Für Gottes Lohn, Inspektor. Ist das nichts?«
»Wenn Sie das sagen, okay.«
»Meine ich auch.«
Die beiden verstanden sich. Suko war froh, Reverend Castor getroffen zu haben.
Das Krachen ließ nicht nach. Es erinnerte Suko an die Kendo-Kämpfer, wenn sie mit ihren Stöcken aufeinander einschlugen und die Echos von den Wänden der Trainingshallen schallten.
Aufgewirbeltes Laub nahm ihnen die Sicht. Dazwischen mischten sich Grassoden, und sogar Müll wirbelte der Sturm heran. Alte Büchsen, nasse Pappe, Papier, Holz. Irgendwelche Umweltsünder hatten es im Wald versteckt oder vergraben.
Die beiden Männer kamen trotzdem weiten Der Himmel über ihnen bot ein wechselndes Schauspiel. Mal düster wie eine dämonische Fratze, dann wieder an einigen Stellen so hell, daß eine gelbe Farbe durchschimmerte, die an den Rändern zu den dunklen Feldern einen schwefligen Glanz bekommen hatte. Das Gesicht des Himmels deutete auf Gewitter und Regen hin.
Sie erklommen einen kleinen Hügel. Der starke Wind hatte die Hänge vom Humus befreit. Kahl präsentierte sich die schmutzige Erde. Sehr tief geduckt nahmen die Männer das Hindernis und fluchten dabei über den Lehm, der gegen ihre Gesichter geschleudert wurde.
»Wann sind wir denn da?« rief Suko.
»Keine Ahnung, aber wir packen das schon.«
Sie packten es tatsächlich. Jenseits des Hügels standen die Bäume nicht so dicht. Allerdings waren einige umgekippt und hatten Hindernisse gebildet.
»Das ist es!« rief der Reverend, richtete sich auf — und kippte zurück, als ihn der Sturm frontal erwischte.
Suko streckte seine Arme aus. Er fing den Mann ab. »Danke.«
»Wo denn nun?«
Diesmal ging Castor den Versuch vorsichtiger an. Suko hatte seine Lampe aus der Tasche geholt. In der Düsternis war nur schwer etwas zu erkennen. Erst als der Lichtfinger kreiste, entdeckten die beiden die Stelle, von der Jorge gesprochen hatte.
Trotz der Sturmschäden war zu erkennen, daß an diesem Ort gegraben worden war. Die Erde zeigte sich aufgewühlt; die alte Humusschicht war verschwunden. Möglicherweise hatte sich noch vor dem Sturm hier ein Loch befunden. Jetzt war es allerdings fast zugeschwemmt worden. Suko wäre um ein Haar über das Werkzeug gestolpert. Es steckte zur Hälfte in der Erde und war deshalb leicht zu übersehen gewesen.
»Sehen Sie, Reverend, wie für uns gemacht!«
Castor schaute kopfschüttelnd auf Hacken und Spaten, die fast wie geordnet zusammenlagen.
Suko steckte die Lampe weg. Er hatte genug gesehen und fragte den Geistlichen: »Sie haben die Wahl. Spaten oder Hacke?«
»Wollen Sie wirklich…?«
»Wir müssen! Sollte sich die Puppe tatsächlich hier befinden, müssen wir sie rausholen und möglicherweise auch vernichten, denn nur durch sie ist es den verdammten Untoten gelungen, die Zeiten zu überwinden.«
»Das will mir noch immer nicht in den Kopf.«
»Man gewöhnt sich an vieles, Reverend.«
»Das sagen Sie.«
»Was nehmen Sie?«
»Den Spaten.«
»Okay, dann fange ich damit an, den Boden aufzuhacken.« Suko griff nach dem Werkzeug.
Castor suchte eine Stelle, wo er einigermaßen vor den heranjagenden Böen sicher war. Er fand den Platz in einer Lücke zwischen zwei umgekippten Baumstämmen. Hochgetürmtes Astwerk deckte ihn vor den peitschenden
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