Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
Vom Netzwerk:
wendete ihre Geste ins Formelle und berührte noch zweimal meine Wangen mit den ihren, dann geleitete sie mich nach draußen.
     
14.
    Ungelenk stapfte ich die Treppe hinunter. Geist und Körper hatten noch nicht wieder zueinandergefunden, der eine haderte mit dem anderen. Die Belohnung für meine moralische Stärke fiel schmaler alserhofft aus. Was mir vorhin als Zeichen von Festigkeit erschienen war, kam mir nun wie Feigheit vor. Zweifellos hatte ich die Flucht ergriffen. Die Luft draußen war frisch und klar. Ich schlenderte durch die nur spärlich belebte Grünanlage des Habsburger Platzes. Ein paar Jugendliche saßen zusammen und rauchten, etwas abseits saß ein Liebespaar eng umschlungen auf einer Bank. Gegenüber lag Frau Roses Wohnung, man sah, dass der dritte Stock noch beleuchtet war. Die schimmernden Fenster wirkten einladend.
    Ich tauchte in den Schatten einer große Kastanie ein, deren dichtes Blattwerk das Licht der Straßenlaterne schluckte. Auf der Bank unter ihren ausladenden Ästen nahm ich die schemenhaften Umrisse einer Frau wahr. Ich kniff die Augen zusammen, um sie im Vorübergehen deutlicher ausmachen zu können. Dicht vor ihr merkte ich, wie mir etwas zwischen die Beine geriet und mich ins Stolpern brachte. Noch im Fallen war ich sicher, dass es ihr ausgestreckter Fuß gewesen war. Ich empfand es als Quittung für meine Neugierde. Als ich mich hochrappelte, erkannte ich Frau Roses Au-pair-Mädchen.
    – Leni?
    Die Frage war mir herausgerutscht. Sie schüttelte den Kopf.
    – Ella.
    Sie half mir auf. Ich klopfte mich ab. Mein Knie schmerzte. Die Hose war dort ein wenig aufgerissen, Blut sickerte in den Stoff. Ich krempelte das Hosenbein hoch.
    – Das tut mir leid!
    Sie hatte einen österreichischen Dialekt, holte ein Taschentuch hervor und hielt es mir hin. Ich zögerte.
    – Nehmen Sie es ruhig. Sie bluten ja.
    Ich tupfte die Wunde ab. Alles war halb so wild, nur meine Hose hatte ein Loch.
    – Sie warten auf jemanden, nicht wahr?
    Sie lachte.
    – Nein. Eine Verabredung habe ich nicht, wenn Sie das meinen.
    – Und warum sitzt ein junge Frau wie Sie dann im Dunkeln?
    – Wegen ihr.
    Sie deutete in Richtung der Wohnung, die ich gerade verlassen hatte.
    – Frau Rose?
    Sie nickte.
    – Verstehe ich nicht. Hatten Sie Streit mit ihr?
    Sie warf einen prüfenden Blick auf mich.
    – Sie hat es nicht so gern, dass ich da bin, wenn sie Besuch empfängt.
    – Sie meinen Herrenbesuch?
    Sie nickte. Instinktiv versuchte ich mich von einem Vorwurf zu entlasten.
    – Ich weiß nicht, was Sie denken, aber Frau Rose und ich sind Kollegen. Wir arbeiten im selben Institut an einem Projekt. Es handelte sich um einen reinen Höflichkeitsbesuch.
    – Sie müssen sich nicht rechtfertigen.
    Ihre Zweifel waren dennoch unverkennbar. Wahrscheinlich hatte sie ebenso wie ich Frau Rose in ihrem engen Hausanzug vor Augen und wusste, dass das nur die halbe Wahrheit war.
    – Es dürfte jetzt gerade zehn Uhr sein. Zu knapp für ein Rendezvous.
    Natürlich musste ich mich nicht rechtfertigen. Ich tat es aus eigenem Antrieb.
    – Dann ist da was schiefgelaufen. Sie meinte, ich solle mindestens bis halb zwölf wegbleiben.
    – Wie sind Sie überhaupt zu ihr gekommen?
    Sie erzählte mir, dass sie aus einer bäuerlichen Gegend in Tirol stamme. Frau Rose habe dort die Sommerfrische verbracht und sich für sie interessiert. Daher habe man sich des Öfteren unterhalten.
    – Dabei habe ich ihr erzählt, dass ich noch nie in die Welt hinausgekommen bin und immer schon einmal die Großstadt kennenlernen wollte. Frau Rose fand mich wohl nett und schlug vor, den Aufenthalt bei ihr in München durch Mitarbeit im Haushalt zu verdienen. So bin ich jetzt eben für ein paar Wochen hier.
    – Aber es gefällt Ihnen wohl nicht so?
    – Ich habe es mir aufregender vorgestellt. Das mit den Leuten hier ist auch nicht so einfach, bis jetzt habe ich niemand kennengelernt. Und dazu das blöde Gefühl, dass man eigentlich stört.
    – Aber zurück wollen Sie nicht?
    – Mit meinen Eltern habe ich lange genug verhandelt, dass ich hierher darf. Das wäre ja eine schöne Blamage, wenn ich gleich wieder vor der Tür stünde.
    – Und von Frau Rose fühlen Sie sich schlecht behandelt?
    – Kann man nicht sagen. Sie bemüht sich und tut alles. Gibt mir Geld, dass ich mir etwas kaufe oder ausgehe. Dass ich mich allerdings vor ihren Besuchen verstecken muss, das finde ich nicht schön.
    – Seltsam.
    – Vielleicht geniert sie sich wegen mir, möchte

Weitere Kostenlose Bücher