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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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feststellen. Um mich zu vergewissern, holte ich ein Notenblatt hervor und schrieb die Passage auf, die am deutlichsten haften geblieben war. Die Notierungen waren im Wesentlichen identisch, unterschieden sich jedoch durch die Art, wie die Erniedrigung oder Erhöhung der Töne ausgedrückt war. In meinem ursprünglichen Notenskript hatte ich an einer Stelle ges geschrieben, war also von g einen Halbton nach unten gegangen, in dem aus dem Gedächtnis aufgezeichneten jedoch von f einen Halbton nach oben und hatte daher fis notiert.
    Ich habe mir nie Rechenschaft über den Aufbau meines inneren Notensystems abgelegt, ich hörte einfach Töne zu mathematischen Ausdrücken. Diese Töne hatte ich nicht gesucht oder dazu entwickelt, sie waren als selbstverständliche Begleiter immer schon da.
    Es hielt mich nicht mehr auf meinem Stuhl, erregt wanderte ich im Zimmer auf und ab. Ich spielte, summte, skizzierte und verglich. Und endlich verstand ich die Abweichung in den beiden Fassungen.
    Natürlich war Kaltenbrunners Klavier gleichstufig gestimmt, wohltemperiert, so wie es seit Bachs Zeiten üblich geworden war. Auf einem so eingestellten Instrument gab es keinen Unterschied zwischen fis und ges, weswegen auf der Klaviatur eben auch nur eine schwarze Taste verfügbar war, die zwischen f und g stand. Durch die einander angenäherten Halbtöne war es möglich geworden, zwischen Tonarten zu wechseln, von denen die eine fis, die andere ges forderte. Um dieser Angleichung willen nahm man unsaubere Tonschritte in Kauf, die bis zu einem Achtel des Notenwerts betrugen und die von umsichtigen Klavierstimmern so unauffällig wie möglich umgesetzt wurden. Mein inneres System war jedoch nach dem Prinzip einer Naturtonreihe aufgebaut und war mit einer reinen Stimmung vergleichbar, die solche enharmonischen Verwechslungen nicht zuließ.
    Ich war immer distanziert genug gewesen, die Tonerscheinungen in mir nicht als Gabe, sondern als naturgegebene Verrücktheit zu begreifen. Was mich aber an dem Zusammenhang, der mir erstmals bewusst geworden war, so elektrisierte, war die Tatsache, dass Petris Melodie überhaupt erst Wohlklang gewann, wenn man der Spielbarkeit halber die Natur korrigierte. Nur dadurch fügte sich der von ihm in Zahlen ausgedrückte Zusammenhang hörbar zu harmonischer Form.
     
24.
    – Sonst noch was?
    Joe Salantino blickte in die Runde. Jeden Montagmorgen tagte der kleine Stab. Seit Razors Abgang war er auf vier Personen zusammengeschmolzen. Da Loewenstein sich entschuldigen ließ, war neben Rothfuss nur noch Bert Milner von der Verschlüsselungsabteilung anwesend. Selma füllte die gelichtete Reihe auf und führte das Protokoll.
    – Botterweck hat seinen Bericht per Telex geschickt. Ich habe ihn schon entschlüsselt. Der Bericht und was wir sonst noch an Material gekriegt haben, ist alles da drin.
    Bert Milner schob Joe eine Mappe zu und widmete sich wieder der entzündeten Stelle, die sich neben seinem Muttermal auf dem Unterarm gebildet hatte. Der flammend rote Fleck beunruhigte ihn. Er unterdrückte den heftigen Impuls zu kratzen.
    – Was ist das denn, fragte Joe.
    – So genau weiß ich das nicht, aber ein Melanom ist es schon mal nicht, sagt der Arzt. Wahrscheinlich eine Haarbalgdermatitis.
    Fassungslos starrte Joe auf Milner.
    – Wovon redest du?
    Milner fuhr hoch und sah, dass Joe den von ihm abgetippten Bericht in der Hand hielt. Sein Gesicht färbte sich rot.
    – Entschuldige. Das ist der Auszug aus ihrer Personalakte.
    – Fremdsprachenkorrespondentin. Deutsch-russisch. Geboren in Riga. Entstammt einer deutsch-baltischen Familie. Wie kam die in den Westen?
    – Ist über die DDR geflüchtet.
    – Haben wir auch ein Foto von ihr?
    – Klemmt hinten dran.
    Joe löste die Fotografie heraus und betrachtete sie.
    – Kannst du dir die Dame im Badeanzug vorstellen?
    Bert grinste und nahm die Aufforderung als kumpelhaftes Friedensangebot, mit dem man ihm seinen Aussetzer nachgesehen hatte.
    – Sogar mit weniger am Leib.
    Joe fixierte ihn genervt und schob das Foto in die Mitte des Tischs.
    – Deine Fantasien interessieren hier niemand. Ich meine: Wenn du dir die Dame im Badeanzug vorstellst, erinnert sie dich nicht an irgendjemanden?
    Auch Selma nahm das Bild in Augenschein.
    – Klar, sagte sie, das andere Bild haben wir doch bei den Akten.
    Sie verschwand aus dem Zimmer und kam bald mit einem Ordner zurück.
    – Das ist alles noch Razors Hinterlassenschaft.
    Rasch blätterte sie sich zu einer

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