Der Tod bin ich
Klarsichthülle durch, in der ein Foto steckte. Eine Frau im Badeanzug saß im Liegestuhl und lächelte in die Kamera. Selma holte den Abzug heraus und legte ihn neben das andere Bild. Schweigend betrachtete die Runde die beiden Fotos. Rothfuss wagte sich schließlich aus der Deckung.
– Ich finde, das passt. Gut, die Haare sind inzwischen glatt und lang, auch schwarz, aber solche Veränderungen bekommt man gut hin. Brille und Ohrringe muss man sich wegdenken …
Bert Milner wendete das Foto. Auf der Rückseite klebte ein Zettel mit ihrem Namen: Svetlana Meydell.
– Den Verdacht, dass Razors Schwalbe nicht ganz sauber ist und für die Gegenseite arbeitet, hatte ich schon damals, sagte Joe. Habe ich mir leider ausreden lassen.
Er reichte die Bilder Rothfuss.
– Kannst du das noch ein bisschen genauer ausdeuten lassen? Vergrößern, vermessen?
Rothfuss nickte.
– Razor war also kurz davor, Frau Rose als Svetlana hochgehen zu lassen. Nicht schlecht!
– Meine ich auch, sagte Joe. Jetzt nimm noch die Sache mit Fred Fridge dazu – Razor war ein Spürhund mit einer ziemlich guten Nase, das muss man ihm lassen.
Joe schob seine Unterlagen zusammen.
– Wann geht unser Flug nach München?
– Morgen, zehn Uhr zwanzig, antwortete Rothfuss.
25.
Boris saß bereits vor der Tür, als Malikow im Mantel die Treppe herunterkam. Das Standbild eines Hundes, fast reglos, bis auf den Schwanz, der hin und her zuckte. In solchen Momenten empfand Malikow beinahe Liebe zu dem Tier, das in Erwartung des Spaziergangs so ganz gegen seine Natur den inneren Aufruhr unterdrückte und ruhig hielt. Welcher Art auch die Empfindungen in Boris sein mochten, Freude, Anhänglichkeit oder Drang ins Freie, sie waren gebändigt und traten, wie zu einem Glutkern zusammengeschmolzen, nur in dem Glanz seiner dunklen Augen nach außen, mit denen er in angespannt wachem Spiel jedes Detail aufnahm. Malikow tätschelte seinen Nacken und klinkte die Leine ein. Boris erhob sich und streckte seine Schnauze zu dem Türspalt hin, der sich gleich auftun würde.
Die milde Abendluft tat wohl. Aus geöffneten Fenstern klang Besteckklappern und Gelächter. Freitagabend, das kommende Wochenende beflügelte die Gesellschaften, die sich zusammengefunden hatten. Hinter der Siedlung mit Einfamilienhäusern befand sich eine Wiese. Malikow ließ Boris von der Leine, um ihn herumstreifen zu lassen. Er selbst umrundete die Wiese auf dem Gehsteig, bis er zudem Bushäuschen kam, neben dem die Telefonzelle stand. Boris kam herbeigelaufen und nahm seine Wachposition ein.
– Gute oder schlechte Nachrichten?
– Wie man es nimmt, antwortete Svetlana. Überraschend auf jeden Fall.
– Erzähl!
– Unser Freund Bertold leitet das nächste Jahressymposion des Instituts.
– Hast du mir berichtet.
– Wir terminieren ja nun die einzelnen Veranstaltungen und Vorträge, um rechtzeitig ein Programm mit Tagesordnung verschicken zu können. Dazu liefern uns die Referenten einen knappen Konspekt, worum es in ihrer Darstellung geht. Diese Papiere liegen mir nun vor.
Malikow blickte nach draußen. Am Ende der Straße parkte ein Lieferwagen. Die Familienväter in dieser Siedlung fuhren eigentlich ausschließlich Limousinen. Dann bemerkte er das Schild eines Handwerksbetriebs an dem Haus. Rundfunk- und Fernsehtechnik. Er hatte Svetlana kaum mehr zugehört. Die Rituale der Wissenschaft langweilten ihn. Er war Ingenieur. Wenn man eine Bombe, eine Strahlenkanone oder einen Satelliten entwickeln wollte, bezeichnete man ein solches Projekt klar und deutlich, setzte sich hin und dachte darüber nach, was nötig war, um das Ding zu konstruieren. Aus dieser Herangehensweise erwuchsen Probleme, die man in den Griff bekam oder eben nicht. Die Amerikaner hatten das mit dem groß angelegten Manhattan-Projekt vorgemacht, die russischen Wissenschaftler hatten es nachgemacht, was sie in der Kürze der Zeit nicht lösen konnten, hatte man ihnen auf geheimdienstlichem Weg besorgt. Auch das waren Optionen, wenn man feststeckte. Svetlana war inzwischen in diese hohlen Routinen des akademischen Betriebs so eingebunden, das sie oftmals Schwierigkeiten hatte, das Wichtigevom Unwichtigen zu unterscheiden. Von der Telefonzelle aus sah es so aus, als bewegte sich etwas im Führerhaus des Lieferwagens. Der Handwerker war glücklich zu schätzen, er hatte bereits Feierabend.
– Jedenfalls wird unser Freund Bertold das Hauptreferat halten.
– Oftenhain?
– Sage ich doch! Hörst du mir
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