Der Tod des Bunny Munro
vögeln?«, sagt das kleine Mädchen auf dem Fahrrad.
Bunny öffnet die Tür des Punto. »Hä?«
»Hast du deinen Schwanz lange genug in meine Mum gesteckt?«
Bunny beugt sich zu dem Mädchen runter, klingelt mit ihrer Fahrradglocke und sagt: »Ja, ich bin fertig, und es war wunderbar, vielen herzlichen Dank.« Dann klappt er sich zusammen und lässt sich mit einem verächtlichen Schnauben auf den Fahrersitz fallen. Er dreht den Schlüssel im Zündschloss, der Punto gibt seine typischen Geräusche von sich und springt dann unverschämt und widerwillig auf Anhieb an.
»Mann, was hast du dir denn da für eine angelacht?«, fragt Bunny. »So eine Kneifzange!«
Der Seenebel kräuselt sich in Fetzen um den Punto, und Bunny fährt auf die Küstenstraße auf.
»Sie kam einfach und hat mit mir geredet, Dad.«
»Die stand auf dich, stimmt’s?«, sagt Bunny, steckt sich eine Kippe zwischen die Zähne und klopft seine Taschen nach dem Zippo ab.
Bunny Junior fummelt an seinem Darth Vader herum und sagt: »Da-ad.« Er spürt eine Art Hitze in sich aufsteigen.
»Nein, echt, ich seh so was. Sie hatte dieses Leuchten in den Augen!«
»Da-ad!«
»Ich sag dir, Bunny Boy, das sehe ich aus einem Kilometer Entfernung!«
Bunny dreht sich zu seinem Sohn und knufft ihn in den Arm. Bunny Junior freut sich, dass sein Dad sich freut, und er freut sich, dass sein Dad kein Geistesgestörter ist, und außerdem freut er sich einfach so und sagt laut: »Vielleicht sollte ich nochmal zu ihr gehen und sie vögeln!«
Bunny sieht seinen Sohn an, als wäre es das erste Mal, bricht in schallendes Gelächter aus und reibt ihm mit den Fingerknöcheln über den Kopf.
»Warte nur, Bunny Boy, eines Tages!«, ruft er, und während auf der einen Seite das blaue Meer und auf der anderen die grünen Felder vorüberziehen, wedelt Bun ny Junior mit der Kundenliste, hält den Stadtplan hoch und fragt lachend: »Wohin jetzt, Dad?«
Bald wird sich Bunny Junior in seinen Sitz zurücklehnen und auf die verwitterten weißen Klippen und die Möwen hinausschauen, die sich in Schwärmen auf den frisch gepflügten Feldern längs der Küstenstraße gütlich tun. Er wird denken, dass die Hand seiner Mutter, selbst wenn seine Mutter in sein Zimmer kommt, ihn umarmt, ihm die Stirn streichelt und sich dabei die Augen ausweint, immer noch das Weichste, Süßeste und Wärmste ist, was er je gespürt hat, und er wird den Kopf heben und einen Schwarm Stare sehen, die die Umrisse ihres Gesichts in den Himmel zeichnen. Er wird denken, dass er, könnte er nur noch ein einziges Mal diese weiche, warme Hand auf der Stirn spüren, keine Ahnung was tun würde.
Auf dem Fernseher an der Wand eines kleinen Cafés an der Western Road läuft ein Sonderbericht über den Teufelskiller. Eine junge Mutter wurde in ihrem Haus in Maida Vale mit der Mistgabel erstochen. Der Mord war so brutal gewesen, dass die Behörden anfangs Schwierigkeiten hatten, das Geschlecht des Opfers zu bestimmen. Am selben Nachmittag hatte der Killer seinen diabolischen Charakter vor den Überwachungskameras eines Einkaufskomplexes in Queensway präsentiert. Danach war er verschwunden, wie immer. Im Fernsehen sieht Bunny eine stilisierte Karte von England, die ihn an ein Cartoon-Kaninchen (ohne Ohren) erinnert und auf der eine rote Linie die teuflische Reise des Mörders nach Süden nachzeichnet. Mit irgendeinem Teil seiner selbst nimmt Bunny all das persönlich, aber er weiß nicht genau, warum.
Der Typ hinter dem Tresen, kahl rasiert und eingeölt, wendet sich Bunny zu, zeigt mit dem Daumen auf den Fernseher und fragt: »Ist der Kerl nicht unglaublich?« Er trägt ein enges rotes T-Shirt, und Bunny, der am Tresen eine dick mit Ketchup beschmierte Hackfleischpastete isst und einen rosa Milchshake schlürft, sieht, dass sich auf dem Stoff die runden Konturen seiner Brustwarzenpiercings abzeichnen.
»Er kommt nach Brighton runter«, sagt Bunny bedrohlich.
»Woher willst du das wissen, Mann?«
»Das hab ich im Urin«, antwortet Bunny. »Er kommt hier runter.«
Bunny Junior sieht sich im Café um, trinkt seinen Milchshake und dreht sich auf dem Barhocker hin und her. Er beobachtet ein Pärchen am Nebentisch; über zwei Schüsseln Spaghetti bolognese gebeugt, flüstern die beiden erregt miteinander und sind offenbar mitten in einer heftigen Auseinandersetzung. Die Frau sieht sich immer wieder verstohlen im Café um, und Bunny Junior versucht, von den Lippen des Mannes abzulesen, worum es bei dem Streit
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