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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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zuhören.«
    Bunny Junior wippt wie wild mit dem Kopf, und dann lässt er sich mit ausgebreiteten Armen rückwärts aufs Bett fallen und schließt die Augen.
    »Okay, Dad«, sagt er.
     
    »Frag mich bloß nicht, warum Dad mit mir zu Butlins gefahren ist. Mit Sicherheit war er zu einem heißen Tête-à-Tête verabredet oder hatte was mit irgendeinem Flittchen dort am Laufen, keine Ahnung, jedenfalls war er ein echter Weiberheld, mein alter Herr, vernaschte reihenweise kleine Betthäschen. Machte auch was her, damals«, sagt Bunny.
    »Als wir ankamen, zog er ein frisches Hemd an, rasierte sich, schmierte sich Pomade ins Haar, all so was, und schickte mich dann zum Pool, schwimmen. Er meinte, er kommt später vorbei und holt mich ab.«
    Der Atem des Jungen wird tiefer, er zieht die kleinen kantigen Knie an die Brust und sieht aus, als schliefe er. Bunny stürzt den Scotch hinunter und versucht, das Glas auf den Nachttisch zurückzustellen, aber er verfehlt ihn, und das Glas rollt über den schreienden Paisley-Teppich. Bunny taucht tief in seine Erinnerung ein und sieht die terrassenförmig angelegten, pulsierenden Rasenflächen und das türkisblaue, von kreischenden Kindern aufgewühlte Wasser. Er sieht das viereinhalb Meter große Kaninchen mit den vorstehenden Zähnen, das am Schwimmbecken steht. Seine Stimme klingt traurig und müde.
    »Ich ging also runter zum Pool und widmete mich meiner Lieblingsbeschäftigung. Ich hockte mich hin, sodass nur noch meine Augen über Wasser waren, und glitt wie ein Krokodil oder ein Alligator oder weiß der Geier was durchs Becken, und dabei beobachtete ich die anderen Kinder, die planschten, Arschbomben machten und herumtollten. Ich kam mir vor, als könnte mich niemand sehen, weißt du, aber ich sah sie.«
    Bunny versucht, seine Worte mit einer Handbewegung zu veranschaulichen, und fragt sich für einen Moment, wie in aller Welt er so enden konnte.
    »Na ja, jedenfalls fühlte ich mich irgendwann beobachtet, und als ich mich umdrehte, saß da ein Mädchen am Beckenrand … ungefähr so alt wie ich … ich war noch ein Kind …«
    In Gedanken sieht Bunny das Mädchen mit den langen Haaren und den nussbraunen Armen und Beinen vor sich, und plötzlich rollen ihm heiße Tränen übers Gesicht. Wieder lässt er die Hand in der Luft kreisen, zwischen den Fingern die erloschene Zigarette.
    »Und sie lächelte mich an … sah zu mir herüber … und lächelte mich an, und, Bunny Boy, ganz im Ernst, sie hatte die schönsten Augen, die ich je im Leben gesehen hatte, und sie trug einen gelben Bikini mit Pünktchen darauf und war braun gebrannt wie Karamell … und dann diese veilchenblauen Augen … da überkam mich irgendwas, keine Ahnung was, aber dieses beschissene Gefühl der Leere, das ich die ganze Zeit hatte, war plötzlich wie weggeblasen, und ich war erfüllt von etwas … von einer Art Macht. Ich kam mir vor wie eine Maschine.«
    Vor seinem inneren Auge sieht Bunny, wie die Nachmittagssonne am Himmel herumwirbelt und wie ihr gleißendes Licht auf die Wasseroberfläche trifft. Er sieht, wie er langsam durch das Becken gleitet und sich das Wasser vor ihm teilt.
    »Ich schwamm also auf sie zu, und je näher ich kam, desto mehr lächelte sie … und ich weiß nicht, was in mich fuhr, aber ich stand auf und fragte sie nach ihrem Namen … ich war gerade mal zwölf …«.
    Die Zigarette fällt ihm aus der Hand, auf den blutroten Teppich.
    »… und sie sagte: Penny Charade … Ohne Scheiß. Penny Charade … das vergesse ich nie … und als ich ihr meinen Namen sagte, lachte sie, und ich lachte auch, und da wusste ich, dass ich diese Macht besitze … dieses besondere Etwas, das die ganzen anderen Blödmänner, die da im Becken herumpaddelten und die Mädchen zu beeindrucken versuchten, nicht hatten … ich hatte diese Gabe … ein Talent … und genau in diesem Moment begriff ich, dass ich auf diesen verfickten Scheißplaneten gesetzt wurde, um …«
    Bunny Junior öffnet ungläubig ein entzündetes Auge und fragt: »Was ist dann passiert, Dad?«, und schließt es wieder.
    »Na ja, es wurde allmählich spät, und irgendwann kamen ihre Eltern und holten sie ab. Ich blieb am Pool, glücklicher denn je, und ließ mich einfach durchs Wasser gleiten … ganz erfüllt von dieser Gabe, bis ich irgendwann der Letzte im Becken war …«
    Tief in seiner Erinnerung sieht Bunny, wie die Nacht über Butlins hereinbricht und Sternengischt über den Himmel sprüht, und er wischt sich mit dem

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