Der Tod des Bunny Munro
Bunny und wischt sich mit dem Taschentuch das Gesicht ab, und sein Blut mischt sich mit dem regenpockigen Wasser, das in Strömen durch den Rinnstein läuft und sich scharlachrot färbt.
Libby lacht. »Hey Bunny, bis gleich«, sagt sie, dreht sich um und verschwindet wie ein Geist oder ein Gespenst oder so etwas unter den tropfenden Schirmen der weinenden Menge.
Bunny geht den Hauptweg entlang, und der Himmel ist weit, fast wolkenlos und voll gewöhnlicher Lichter. Über seinem Kopf leuchtet das Butlins-Motto, er hört, wie im Kaiserinnen-Ballsaal die Kapelle zu spielen beginnt, und der kühle, salzige Wind trägt den Klang eines Saxofons zu ihm herüber. Blaue Wolkenfetzen schweben über dem Mond wie Tintenkleckse, und Bunny wischt sich mit der Hand über die Stirn und lockert seine Krawatte.
»Oh Mann«, sagt er in jener rauschhaften Euphorie, die ein sterbendes Geschöpf empfinden mag, bevor sein Licht für immer verlöscht.
Bunny sieht, dass sein Sohn am Rand des Schwimmbeckens auf ihn wartet, im Lichtkreis einer Laterne. Er hat seine Flip-Flops ordentlich neben sich gestellt und lässt nachdenklich die Füße im Wasser baumeln.
»Hi, Dad«, sagt der Junge.
»Hi, Bunny Boy«, sagt sein Vater.
Bunny legt seinem Sohn locker die Hand auf den Kopf und fährt ihm mit den Fingern durchs Haar.
»Sieh dir das an«, sagt Bunny. »Komm mit.«
Der Junge steht auf, sieht hoch und sagt zu seinem Vater, dass der Himmel aussieht wie ein riesiges Schwimmbecken voll schwarzer Tinte mit Sternen darin, und dann folgt er ihm zu der knallbunten elektrischen Kindereisenbahn auf silbernen Schienen. Bei jedem Schritt hinterlässt er eine rosa Wasserpfütze, und in jeder einzelnen spiegelt sich der Mond – die Sirenen der Polizei und der Krankenwagen werden lauter.
»Die kenne ich noch aus meiner Kindheit«, sagt Bunny und steigt in den ersten Wagen. »Hops, rein mit dir«, sagt er.
Bunny Junior setzt sich neben seinen Vater und macht es sich bequem, und Bunny zeigt auf den großen, gelben Plastikschlüssel am Steuerpult der Lok.
»Siehst du den Schlüssel da?«, fragt Bunny. »Dreh ihn um.«
Bunny Junior betrachtet mit zusammengepressten Lippen seinen Vater und spürt ein Flattern in der Brust.
»Keine Angst«, sagt Bunny, »diesmal fährst du«, und legt dem Jungen eine Hand auf den Kopf.
Bunny Junior dreht den großen, gelben Schlüssel um, und das Bähnchen springt an und tuckert über die Schienen. Bunny nimmt den Jungen in den Arm, und der Kleine strahlt. Die Eisenbahn umkreist das Schwimmbecken, in dessen Wasser sich alle Schätze des Himmels spiegeln, und Bunny Junior sieht, wie seinem Vater das Wasser vom Kopf tropft, spürt den Regen auf seinem eigenen Gesicht und lacht lauthals los. Bunny läutet die silberne Glocke der Eisenbahn, und Bunny Junior tut es ihm gleich, scharlachrotes Blut strömt die Rinnsteine hinab, und durch das Feriencamp hallt das Lachen eines Vaters und seines Sohns und das Läuten einer silbernen Glocke.
Der Zug vollendet seine Runde und kommt zum Stehen, und Bunny fragt den Jungen: »Willst du nochmal?«
Bunny Junior sieht seinen Vater an, liest in seinem Gesicht und schüttelt den Kopf. »Nein, das reicht, Dad.«
Er sieht zu, wie sein Vater aus der Eisenbahn steigt.
»Komm, wir setzen uns ans Becken«, ruft Bunny. »Hier ist es viel zu laut.«
Zusammen gehen sie wieder zum Schwimmbecken. Bunny zieht Schuhe und Socken aus und hält die Füße in das regengesprenkelte Wasser, und Bunny Junior setzt sich neben ihn. Bunny legt einen Arm um seinen Sohn und blinzelt in die weißen Scheinwerfer, die ihn plötzlich anstrahlen.
»Ach, Bunny Boy«, seufzt er, zieht ihn zu sich heran, drückt die Lippen auf sein Haar und atmet seinen würzigen Kleine-Jungen-Geruch tief ein.
»Scheiße«, murmelt Bunny und schüttelt den Kopf.
Bunny Junior liest noch einmal im Gesicht seines Vaters. Das wulstige, weiße Narbengeflecht liegt wie ein Spitzentaschentuch auf seinem Hals, und der Junge glaubt, den stechenden Geruch von versengtem Fleisch wahrzunehmen, während überall um ihn herum Wasser zusammenläuft.
»Ich muss mich kurz hinlegen«, sagt Bunny, aber der Junge hört ihn nicht, so laut schreien die Schirme.
Bunny lässt sich in Zeitlupe am Beckenrand zurücksinken, bis er auf dem Rücken liegt, und seine Füße baumeln im geriffelten Wasser. Der Junge streichelt seinem Vater die Stirn.
»Ich mach mal kurz die Augen zu«, sagt Bunny und klammert sich einen Moment an Bunny Juniors T-Shirt
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