Der Tod des Bunny Munro
der Zigarette.
Irgendetwas an der Art, wie sie das sagt, bringt den Jungen dazu, einen Schritt vorzugehen, die Arme um die Taille seiner Mutter zu schlingen und den Kopf an ihren Bauch zu lehnen. In diesem Moment ist er voll und ganz von einer traurigen Liebe zu ihr erfüllt, und gleichzeitig wundert er sich, dass sie nicht annähernd so weich ist, wie er sie in Erinnerung hatte. Ihr Bauch fühlt sich an wie mit Steinen gefüllt, und als er ihre Brüste anfasst, sind sie klein und hart.
»Entschuldige mal?«
Der Junge entdeckt in ihrer Stimme etwas, das da nicht hingehört – ein nicht wiederzuerkennendes, fremdes Beben, vor Aufregung oder vor Verlegenheit, er ist sich nicht sicher, und er will sie loslassen, kann es aber nicht und klammert sich noch fester an sie. Die Frau – wer auch immer sie ist – windet sich und zerrt an ihm, kleine schmerzhafte Stiche jagen ihm durch die Arme, und sie reißt sich von ihm los.
»Lass das«, sagt sie. »Wo ist deine Mutter?«
Der Junge hebt den Kopf und sieht, dass ihre Nase wie ein kleiner, brauner Haken aussieht und dass ihr Haar gar nicht blond ist, sondern mausgrau, und ihr Kleid, das eigentlich eher pink als orange ist, riecht nach Zigaretten und alten Kokosnüssen.
Die Frau streckt die Hand aus und will sie dem Jungen auf den Kopf legen, aber er weicht zurück, und sie schlägt ihm versehentlich die Pommestüte aus der Hand. Die Pommes fliegen im ganzen Restaurant umher.
»Oh, Liebes, das tut mir leid«, sagt sie. Aber der Junge dreht sich um wie der Blitz, läuft los und rennt um sein beschissenes Leben.
21
»Diese revitalisierende Handcreme hat eine geradezu magische belebende Wirkung. Die Effekte sind sofort spürbar«, sagt Bunny. »Erlauben Sie, dass ich es Ihnen zeige.«
»Bei diesen versteinerten alten Dingern hab ich da meine Zweifel«, sagt Mrs. Brooks. Sie nimmt ihre Ringe ab und hält Bunny ihre unförmigen Klauen hin. Er drückt etwas Creme in seine Hände, greift über den Tisch nach den Händen der alten Dame und massiert die Creme sanft in ihre knubbeligen Knöchel ein. Ihre arthritischen Hände knarren förmlich unter seiner Berührung. Mrs. Brooks wiegt sich vor und zurück und füllt den Raum um sich herum mit ihrem metronomischen Schaukeln.
»Es ist schon viele Jahre her, dass das jemand bei mir gemacht hat, Mr. Munro. Da haben Sie einem alten Mädchen mal so richtig die Akkus aufgeladen!«
Mit gespieltem Erstaunen sagt Bunny: »Allmächtiger, Mrs. Brooks! Ihre Hände haben sich in die eines jungen Mädchens verwandelt!«
Mrs. Brooks lacht ein klingelndes, fröhliches Lachen.
»Ach, Sie Dummkopf«, sagt sie.
Bunny Junior stürmt die Treppen hoch und die Promenade entlang, wobei er sich alle Mühe gibt, die Killer-Zombies nicht zu berühren, er rennt an dem Fish-and-Chips-Verkäufer mit den pelzigen, aufgepumpten Armen vorbei und über den Zebrastreifen, wo die Kinderfresser lauern, und als er den gelben, scheißegesprenkelten Punto sieht, fällt ihm ein riesiger Stein vom Herzen – er ist wieder da, wo er hingehört. Er reißt die Tür auf und lässt sich auf den Beifahrersitz fallen, seine Füße tanzen ihren irren Tanz, und sein Herz ist schwer wie ein Amboss oder ein Anker oder der Tod. Er drückt auf das Verriegelungsknöpfchen an der Tür, lehnt blinzelnd den Kopf ans Fenster und erinnert sich, dass seine Mum an manchen Tagen ziemlich durchdrehen konnte – wie das eine Mal, als sie an den Hemden seines Dads schnüffelte und sie durchs Schlafzimmer feuerte, oder als er sie weinend auf dem Küchenboden fand, im ganzen Gesicht mit grellem Lippenstift beschmiert. Aber auch wenn sie, wie sein Dad es nannte, ›psychisch krank‹ war, roch sie immer gut und fühlte sich weich an.
Plötzlich hämmert es ans Fenster, und für den Jungen, der das Ohr an die Scheibe drückt, klingt es wie Kanonendonner. Das Blut gefriert ihm in den Adern, er hält sich die Augen zu und sagt: »Bitte, bitte, friss mich nicht auf.«
Es hämmert noch einmal, und Bunny Junior sieht hoch – eine Polizistin klopft an die Scheibe.
Die Polizistin ist jung, hat kurzes Haar und ein nettes Gesicht; sie lächelt und macht dem Jungen ein Zeichen, das Fenster runterzukurbeln, und Bunny Junior bemerkt erleichtert, dass sich in ihren Mundwinkeln hübsche Dellen bilden. Er kurbelt das Fenster runter. Ihre Oberlippe ist mit nahezu unsichtbarem blonden Flaum bedeckt, und als sie sich zu ihm ins Fenster beugt, hört Bunny Junior das neue Leder ihres Koppels knarren.
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