Der Tod des Bunny Munro
die Nummer auf ihrer Schulterklappe – PV388.
»Er sagt …«
»Sie haben mit ihm gesprochen?«, fällt Bunny ihr ins Wort und sieht durch das Autofenster Bunny Junior, der zusammengesackt im Beifahrersitz hängt und definitiv nicht gut aussieht – sein Kopf ist zur Seite gerollt, und die Zungenspitze guckt aus dem Mundwinkel.
»Er sagt, es geht ihm nicht gut«, sagt die Polizistin.
»Und?«, entgegnet Bunny. Aber es steht ihm bis oben.
»Wie ist Ihr Name, Sir?«, fragt die Polizistin betont sachlich.
»Mein Name ist Bunny Munro«, antwortet er, beugt sich vor und schnüffelt wie ein Kaninchen. »Ist das Chanel?«
»Bitte?«, fragt die Polizistin.
Bunny geht noch näher an sie heran und schnüffelt noch einmal.
»Ihr Duft«, sagt er. »Sehr angenehm.«
»Ich muss Sie bitten zurückzutreten, Sir«, sagt die Polizistin, und ihre Hände wandern zu ihrem Koppel und schweben über der Dose mit dem Reizgasspray, die passgenau in dem kleinen Halfter steckt.
»Dafür haben Sie bestimmt ordentlich was hinblättern müssen.«
Die Polizistin wechselt ihre Haltung und stellt beide Füße fest auf den Boden. Bunny spürt, dass sie noch nicht lange im Dienst ist, und er bemerkt ein aufgestacheltes, nervöses Funkeln in ihren Augen und einen Schaumklecks auf ihrer Unterlippe, als wäre dies der Moment, auf den sie schon ihr ganzes Berufsleben und eigentlich sogar noch länger gewartet hat.
»Treten Sie einen Schritt zurück«, befiehlt sie.
»Ich meine, wie können Sie sich das mit einem Polizistengehalt eigentlich leisten?«, fragt Bunny und denkt, dass er in der Lesbenfrage vielleicht doch danebengelegen hat und wahrscheinlich am besten beraten wäre, wenn er einfach die Klappe halten würde.
»Möchten Sie diese Unterhaltung lieber auf dem Revier weiterführen, Sir?«, fragt die Polizistin, und ihre Hände tänzeln über dem Koppel, als könne sie sich nicht entscheiden, ob sie Bunny eine Ladung Reizgas verpassen oder gleich zum Knüppel greifen soll.
Bunny geht einen Schritt vor, und sein Hals wird krebsrot.
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Frau Wachtmeister, der Junge da im Auto, den Sie gerade ausgefragt haben, hat Angst. Er macht sich gleich in die Hose. Seine Mutter ist nämlich gerade unter schrecklichsten Umständen ums Leben gekommen, und ich versuche gar nicht erst, Ihnen zu beschreiben, wie sehr ihn das mitgenommen hat. Es ist eine gottverdammte Tragödie, wenn Sie es genau wissen wollen. Der Junge braucht jetzt seinen Vater. Wenn Sie also nichts dagegen haben …«
Die Oberschenkelmuskeln der Polizistin entspannen sich, ihre Haltung wird lockerer. Bunny sieht, wie sie das Kinn leicht neigt und wie sich eine Spur von Menschlichkeit in ihre Augen schleicht. Nein, denkt er, er hatte gleich den richtigen Riecher, sie ist definitiv keine Lesbe und unter anderen Umständen hätte sich vielleicht alles ganz anders entwickelt. Als die Polizistin zur Seite tritt und ihn in den Punto steigen und wegfahren lässt, wallt sogar so etwas wie Traurigkeit in ihm auf.
Während sich Bunny durch den Feierabendverkehr schlägt und Mrs. Brooks’ Ringe in seiner Tasche befühlt, merkt er, dass im Wagen noch ein Hauch vom Parfum der Polizistin hängt, und plötzlich kommen von allen Seiten Fantasiemuschis auf ihn zugeschossen und hauen ihn fast vom Sitz – die von Jordan, von Kate Moss, von Naomi Campbell, von Kylie Minogue, von Beyonce und natürlich die von Avril Lavigne –, doch über all diese glitzernden, glänzenden und teuren Luxusexemplare erhebt sich wirbelnd, umgeben von einer Gloriole aus kleinen Handschellen und gebettet auf eine Cartoon-Wolke von Chanel, die bescheidene Vagina der Polizeiwachtmeisterin PV388.
›Wieder obenauf‹, denkt Bunny vage, biegt bei einem Pizza Hut ein und stürmt wie von der Tarantel gestochen die Herrentoilette.
Bunny klappt ein Stück Pizza zusammen und schiebt es in den Mund. Bunny Junior, die Sonnenbrille auf der Nase, tut dasselbe. Auf der Pizza sind so viele Jalapeños, dass ihm Tränen über die Wangen rollen und die Nase läuft.
»Sie wollte wissen, warum ich nicht in der Schule bin. Ich glaub, das ist illegal oder so was«, sagt der Junge mit einer feinen Ironie, die seinem Vater entgeht.
»Und?«, fragt er.
»Ich hab ihr gesagt, ich wäre krank, Dad.«
»Und?«, fragt Bunny.
»Und sie wollte wissen, wo meine Mutter ist!«, ruft der Junge, lässt sein Stück Pizza fallen, trinkt hastig von seiner Cola und reibt sich über die Stirn. »Und sie wollte wissen, wo
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