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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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Weile was gehört hat, wie er mich und Sabine behandelt hat und sieht, daß meine Hand die ganze Zeit ganz selbstverständlich auf Arnes Schulter liegt. Kurze Erläuterung des Sachverhalts. Als Arne aufsteht, um sich einen neuen Wein zu bestellen, rutsche ich kurz zu ihr rüber und erzähle ihr mehr. Daß es schon fünf Monate her ist. Daß es nur ein paar Wochen gedauert hat. Daß ich immer noch nicht drüber weg bin. Und daß ich ihm zuletzt mit lila Farbe «Auch hier wohnt ein Frauenfeind» ans Fenster gesprüht habe. In dem Moment kommt Arne wieder, und ich sage: «Das kannst du dir dann ja nach dem nächsten Termin beim Bier von ihm erzählen lassen.»
    Als Arne und ich uns weiter unterhalten, nimmt Sylvia erst mal eine Weile nicht mehr daran teil. Ich erzähle von meinem Buch. Von meiner Einsamkeitskrise in den letzten Wochen. Und irgendwann werde ich dann mutiger. Als ich ihn umarme... anfange, seinen Kopf zu streicheln, erwidert er meine Zärtlichkeiten sofort. Kein Prinz Eisenherz mehr, der mich nur gewähren läßt. Er streichelt mich auch. Umarmt mich. Es ist schön, wieder seine Wärme zu spüren. Als wir uns weiter unterhalten, habe ich keine Angst mehr. Keine Hand mehr, die wie zufällig auf seiner Schulter ruht. Ich kann ihn richtig umarmen. Kann ihn streicheln, während ich ihm etwas sage. Seine Wangen, seine Bartstoppeln, die sich ganz weich anfühlen, obwohl sie erst einen Zentimeter lang sind. Seine rotblonden Bartstoppeln und sein schwarzes Haar. Kann ihm in die Augen sehen. Einfach so. Ohne reden zu müssen. Kann ihm wieder ganz sicher in die Augen sehen. So ganz aus der Nähe. Ihm mit meinem Lächeln und meinen Augen sagen: Ich mag dich.
    Und wir reden weiter. Über alles mögliche . Und immer wieder kuscheln wir uns aneinander. Kann ich mein Gesicht in seinen Haaren vergraben. Seine Nähe einatmen. Seine weichen Haare. Und dann ist es irgendwann nicht mehr so, daß er meine Zärtlichkeiten nur erwidert. Mitten aus dem Gespräch heraus umarmt er mich plötzlich. Haut mir aus Versehen einen Fingernagel in die Wange, als er die Hand nach meinem Kopf ausstreckt. Streichelt mich. Umarmt mich ganz fest. Ich bin süchtig. Süchtig nach seiner Zärtlichkeit. Süchtig danach, meine Nase in seinen Bartstoppeln zu baden.
    «Ich hab das Gefühl, du bist gekommen, weil du mit mir Zusammensein willst.»
    Ich sehe ihn an. «Wie meinst du das?» frage ich. «Kannst du das konkreter sagen, was du damit meinst?» Ich bin verunsichert. Wie meint er das? Zusammensein. Meint er etwa...?
    «Ich bin nicht von vorgestern... und du auch nicht», sagt er schließlich.
    Wir sehen uns in die Augen. Unter mir bricht der Boden weg. Etwas Gewaltiges und Undefinierbares reißt mich fort. Etwas, das ich kenne und von dem ich dachte, es sei endlich vorbei. Breitet sich in mir aus, kriecht in jeden kleinen Winkel, füllt mich ganz aus. Bis für nichts anderes mehr Platz ist in mir.
    «Ich bin nicht von vorgestern... und du auch nicht.» Ich sehe ihm in die Augen. Sage: «Du, es ist mir selber unklar.»
    Aber was hat es für einen Sinn, ihn mit Worten anzulügen, wenn meine Augen ihm doch die Wahrheit sagen. Ich hätte ihn nicht ansehen dürfen in diesem Moment. Dann hätte er mir meine Lüge vielleicht geglaubt. Aber dann hätte ich sie mir selber vielleicht auch geglaubt. Erst sein Blick in meine Augen gibt mir das Gefühl: Er hat mich durchschaut. Erst sein Blick in meine Augen macht mir klar, daß ich lüge. Daß ich mich selber anlüge. Ich sehe ihn an und bin nicht fähig, ihm meinen Blick zu entreißen. Nichts mehr, was ich vor ihm verbergen könnte. Es steht alles in meinen Augen. Alles. Ich liege ihm zu Füßen in meiner ganzen Schwäche. Schutzlos. Preisgegeben.
    Aber wenn ich ihm meine Augen nicht hätte geben wollen in diesem Moment, wenn ich sie ihm wirklich nicht hätte geben wollen, dann hätte ich mich wehren können. Ich hätte die Situation überspielen können. Ich hätte mich nicht so zu offenbaren brauchen. Aber irgend etwas an diesem Menschen, der nur so schwerfällig Vertrauen zu mir faßt, irgend etwas an diesem Menschen hat mir das Vertrauen gegeben, daß ich mich ihm ausliefern darf. Mich ausliefern. So vollständig. So ohne Grenzen. Ich vertraue ihm.
    Immer noch keinen Boden wieder unter den Füßen, höre ich seine Stimme. Die mir wieder sagt, was mein Mund gerade verleugnet hat. Mir wieder sagt, was ich wollte. «Streicheln... und küssen.»
    Gott sei Dank sagt er jetzt nicht, daß ich gekommen bin,

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