Der Tod des Maerchenprinzen
kapitulieren. Aber wenn ich das feststellen kann, ist bestimmt der Zeitpunkt, wo die Trennung noch keine Lücke in mein Leben reißt, überschritten... na und? ... Ich bin verliebt... ich will’s versuchen... ich will’s wenigstens versuchen... ich bin verliebt... bin verliebt... bin verliebt...
Als wir uns am Donnerstag treffen, gehen wir erst ein Stück im Park spazieren. Wir kommen auf Nina Hagen zu sprechen. Arne sagt, daß er mit ihr nichts anfangen kann. Okay, einige oder sogar die meisten ihrer Texte sind ziemlich plakativ. Nicht gerade tiefschürfende Überzeugungsarbeit. Die kann man in der Popmusik aber auch nicht verlangen. Aber immerhin trifft sie klare Aussagen. Deutlich genug ist sie nun wirklich. Ich verstehe nicht, wie mann damit «nichts anfangen» kann. Ganz vorsichtig formuliere ich, daß er wirklich unheimlich naiv an die ganze Frauenproblematik rangeht. Unheimlich naiv.
Arne hört sich das an. Und dann sagt er was von Freiheit. Daß das Hauptproblem doch die Freiheit ist. Daß der Mann die Frau nicht in ihrer Freiheit einschränken darf. Er hat damit zwar einen wichtigen Punkt angesprochen. Aber so wie er das sagt, hört es sich so an, als wenn nur alle Männer ihren Frauen «Freiheit», bzw. was sie darunter verstehen, «geben» müßten... und die Frauenfrage wäre gelöst. Was soll das mit der Freiheit? Welche «Freiheit» eigentlich? Die Freiheit, zu tun und zu lassen, was ich will, die habe ich als unverheiratete intellektuelle Frau. Jedenfalls relativ. Die kann mir auch keiner streitig machen. Dazu bin ich zu viele Jahre schon daran gewöhnt. Habe die meiste Zeit, seit ich mich im «heiratsfähigen» Alter befinde, ohne feste Beziehung zugebracht. Bin jahrelang sexuell ausgebeutet worden. Habe Bumsbeziehungen gehabt. Sicher. Aber nie so enge Beziehungen, daß Männer mir in beruflichen, politischen oder zwischenmenschlichen Entscheidungen reinreden konnten. Ich hab meine Freiheit. Was erzählt der mir von Freiheit? Ich hab meine Freiheit! Die braucht mir kein Mann zu «gewähren».
Wenn ich mit anderen Frauen rede, stelle ich immer fest, daß ich eine total untypische Frauenvergangenheit hinter mir habe. Die anderen erzählen immer, daß sie in langjährigen Beziehungen zu Typen wirklich ihrer Freiheit beraubt waren. Aber so was habe ich ja nicht gehabt. Bei Uli war ich drei Jahre lang Mätresse eines verheirateten Mannes. Das war keine «feste Beziehung». Und danach habe ich nur zweimal längere Beziehungen gehabt. Und beide haben nur ein Jahr gedauert, das waren die einzigen beiden Beziehungen, wo auch die Männer mich wirklich geliebt haben. Zweimal ein Jahr. Und die restlichen acht Jahre, die ich es jetzt mit Männern zu tun habe, haben sich die Typen immer nur halbherzig auf mich eingelassen. Haben mir was von «Freiheit» erzählt und damit Oberflächlichkeit gemeint. Hatten mit ihrer «Freiheit» das Argument dafür, nicht auf mich eingehen zu müssen. Mich zu benutzen, ohne mir zuzuhören. Der neue Wahlspruch:
«Freiheit statt Gefühle!»
Das ist Männerfreiheit. Und ich habe jedesmal, wenn ich wieder verliebt war, gedacht: Der ist anders. Das ist endlich der Märchenprinz. Der will mich endlich als «seine Frau». Der will «mein Mann» sein. Habe mir immer wieder Illusionen gemacht, auch wenn mir die Typen schon längst Fußtritte verpaßt hatten.
wenn es sinn hätte,
sich illusionen zu machen,
wenn es sein könnte,
daß eines tages doch
der prinz kommt, der mich
für immer
will — dann
würde ich mir öfter
erlauben,
zu träumen.
aber —
ich habe gelernt,
mich nicht mehr
selber (?)
kaputtzumachen,
ich erlaube mir
keine illusionen mehr.
die scheinprinzen
mit ihren lügenmärchen
sind ja heute
sooo ehrlich.
sie haben ja
die revolution
auf ihrer seite.
sie können sie ja
überall nachlesen,
«ihre» argumente.
offen und
aufrecht suchen sie
das unverbindliche aben-
teuer zahle ich
für meine illusionen
und so
verbiete ich mir
zu träumen.
und doch
träume ich —
noch.
wieviel zeit
werden sie brauchen,
um auch dieses
letzte bißchen
menschlichkeit
in mir
zu töten?
Früher war es nicht so einfach für die Typen. Wenn die so oberflächlich von einer Frau zur anderen, von einem Bett ins nächste... dann waren sie nach gängiger Moral schon Schufte. Schürzenjäger. Fieute handeln sie im Namen der Revolution. Zweierbeziehung ist reaktionär. Und wenn mann zwei, drei Beziehungen auf einmal hat, dann ist es auch nicht
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