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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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nächsten Morgen aufwachen und anfangen zu schmusen, kriegen wir beide wahnsinnige Lust aufeinander. Als sich in meinem Kopf eigentlich nur noch die Frage abspielt, wann ich mein Pessar einsetze, sagt Arne plötzlich: «Du. Ich weiß gar nicht, wie ich mich jetzt verhalten soll. Nach unserer Diskussion gestern.»
    «Das ist klar, daß du das nicht weißt. Ich möcht mich jetzt eigentlich auf mein Pessar verlassen...? Doch... das möcht ich.» (Trotz 2 Prozent Versagerquote.)
    Arne sagt: «Ich möcht’s lieber nicht. Ich möchte mir das lieber noch mal überlegen. Und dann neu mit dir diskutieren.»
    Ich muß ihn ganz fest umarmen. Klammer mich richtig an ihm fest. Mir wird warm, unheimlich warm. Er hat mich endlich so ernst genommen, daß ihm die Klärung dieser Sache wichtiger ist als sein eigener Bock. Damit habe ich nicht gerechnet. Das haut mich um. Ich kann ihn gar nicht so fest umarmen wie ich ihn lieb habe. Ein bißchen schade find ich’s schon, daß wir nicht zusammen schlafen jetzt. Aber das andere ist wichtiger. Unendlich viel wichtiger. Ich fühle mich ihm so nahe durch seine Entscheidung. Wir sind uns viel näher, als wenn wir jetzt miteinander geschlafen hätten.

    Das Wochenende fährt Arne zur Bundeskonferenz für die Gorleben-Demo im Oktober. Wieder das Wochenende allein. Aber das find ich eigentlich gar nicht so schlimm. Was ich viel schlimmer finde, ist, daß heute abend die Demo gegen den Giftmüll-Skandal in Eidelstedt ist. Endlich mal etwas, wo Arne und ich trotz unserer unterschiedlichen politischen Positionen gemeinsam an einer politischen Aktion teilnehmen könnten. Könnten... wenn er da wäre.
    Er hat noch gesagt, daß er vielleicht am Anfang kommt und dann früh wieder geht. Ich halte Ausschau. Groß genug ist er doch nun, daß ich ihn sehen müßte, wenn er da wäre.
    Er ist nicht da. Aber ich treffe einen Haufen anderer Leute. Und alle kriegen von mir zu hören, daß ich glücklich verliebt bin. Daß ich eine neue «Beziehung» habe. Egal, ob es sie interessiert oder nicht. Alle kriegen das zu hören. Das ist doch wichtig, Mensch! Die Welt sieht doch plötzlich ganz anders aus. Das müssen sie doch wissen! Das kann ich doch nicht für mich behalten! Warum tun die denn alle so, als wenn das nichts Besonderes wäre? Die können doch nicht so tun, als wenn die Welt noch die gleiche wäre wie vor vierzehn Tagen! Die spinnen wohl! Die sind ja verrückt!
    Als ich Charlie treffe, bin ich schon vorsichtiger geworden. Frage sie, ob es sie interessiert... ob ich ihr was von meiner neuen Beziehung...? Doch, ja... soll ich...
    Ein Wasserfall schwappt auf die arme Frau hernieder: Daß «er» ein Autonomer ist. Daß ich am Anfang nicht wußte, ob ich mich darauf einlassen soll. Daß ich in den letzten Jahren immer nur mit Männern zusammen war, die im KB oder in dessen Umfeld angesiedelt waren und somit immer schon von anderen Genossinnen vor-«bearbeitet» waren. Immer den Stand der Diskussion mitkriegten, wie sie im AK gerade lief. Daß ich bestimmte Sachen einfach voraussetzen konnte. Daß jeder KB-Genosse in seiner Grundeinheit Frauenthemen mitdiskutieren mußte. Daß die Frauen einfach auf der Tagesordnung standen. Und das nicht bloß einmal. Und daß «mein Autonomer» natürlich in seiner BI Anti-AKW-Arbeit macht. Und dann vielleicht nach ’m Termin in der Kneipe auch mal was von Frauenfrage hört. Aber eben nie so kontinuierlich und organisiert von den Genossinnen damit konfrontiert worden ist wie die Genossen im KB. Und daß ich das an allen Ecken und Enden merke, daß mein Autonomer wirklich von den grundlegendsten Sachen keine Ahnung hat. Daß ich mich immer wieder wundere, weil ich das aus meinen letzten Beziehungen nicht mehr gewohnt war. Daß ich bei den Typen nie am Punkt Null anzufangen brauchte. Daß ich immer auf die Auseinandersetzung zurückgreifen konnte, die gerade innerhalb der Organisation lief.
    Als ich Arne neulich gefragt habe: «Ich hab das Gefühl, du hast dich mit der Frauenfrage noch nicht groß beschäftigt!?» da hat er auch ganz murmelig gesagt:
    «Nö. Hab ich auch noch nicht.»
    Da kann so ein Typ jahrelang in der autonomen Bewegung bei den aktivsten Aktivisten mitmachen, ohne sich mit der Frauenfrage auseinandersetzen zu müssen! Für mich macht das nur wieder deutlich, daß gerade wir Frauen zur Durchsetzung unserer Interessen alles andere als «autonome Strukturen» in der linken Bewegung gebrauchen können. Daß der Diskussionsstand zur Frauenfrage nicht

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