Der Tod des Maerchenprinzen
politischen Vorschlag meiner «Beziehung» gewehrt habe. Ich wollte meine eigene politische Praxis entwickeln. Wollte mir keine Impulse geben lassen. Hab total übersteigert reagiert. Finde meine übersteigerte Reaktion verständlich. Richtig. Genauso richtig wie meine Weigerung, mich von Arne in der AKW-Frage «beeinflussen» zu lassen. Mir ist klar, daß ich ein bißchen damit auch meine eigene Unsicherheit zugebe, aber lieber heute noch Unsicherheit zugeben , als morgen Selbständigkeit aufgeben. An diesem Punkt verbeiße ich mich, kämpfe mit Zähnen und Klauen. Ich will meinen politischen Weg finden.
Zu meinen Ängsten bezüglich der Freundes-Problematik meint Arne, ich soll das nicht von vornherein so schwarz sehen. Er findet es falsch, es gar nicht erst zu versuchen. Erst mal abwarten, versuchen... Ich finde, er hat recht. Habe schon weniger Angst. Was kann denn schon schiefgehen? Verlieren kann ich nichts. Höchstens meine negativen Erfahrungen bestätigen. Aber das muß ja nicht sein.
Ich erzähle von meiner letzten Beziehung. Daß der Typ mir ein Jahr lang mit erhobenem Zeigefinger gesagt hat: Ich glaube ja nicht, daß unsere Beziehung das aushält, wenn du fremdgehst. Und ich Trottel hab mir natürlich gesagt: Okay, die Beziehung ist mir wichtiger, also laß ich’s .— Und dann geht der mit so ’ner total blöden Frau, die ich noch nie abkonnte, ins Bett. Wie kann ’n Typ, der mit mir zusammen ist, sich ausgerechnet mit so ’ner unnatürlichen Frau mit so viel Fassade und Maske abgeben? Wenn er sich wenigstens eine gesucht hätte, wo ich’s verstehen könnte. Was hat er denn an der?
Arne fragt: «Warum hat er denn mit der gepennt?» Schließt während seiner Frage kurz die Augen in meine Richtung. Aber nur so, daß man unten noch das Weiße in seinem Auge schimmern sieht. Verzieht fragend und etwas verständnislos das Gesicht. Eine Geste' die seine Frage mit so viel Ernsthaftigkeit schwängert, daß sie mir heute noch hartnäckig im Gedächtnis klebt.
«Weil sie ihn sexuell gereizt hat», antworte ich. Was soll ich dazu auch sagen. So hat Jochen es mir ja auch gesagt.
Irgendwie ist mir die Art, wie er diese Frage eben gestellt hat, durch und durch gegangen... weil ich daraus so zwischen den Zeilen lese, daß er so was nicht machen würde.
Ich sage, daß ich auch die ganze Zeit Bock auf andere Typen hatte. Daß ich vor der Beziehung schon im Kopf hatte, daß was an der Beziehung nicht in Ordnung ist, wenn man Lust hat, mit anderen zu schlafen. Aber daß ich das während der Beziehung wieder verdrängt habe, weil ich nicht wahrhaben wollte, daß was nicht in Ordnung sein könnte. Weil mir ganz unterbewußt schon schwante, daß es ganz tiefsitzende Probleme sind. Und letztendlich haben wir sie auch nicht lösen können. Da hab ich sie halt verdrängt und die etwas einfacher zu handhabende Theorie von notwendigen Seitensprüngen, die die Beziehung beleben, wieder rausgekramt. Erst als die Beziehung vorbei ist, gestehe ich mir wieder ein, daß die unüberwindlichen Schwierigkeiten der Grund waren.
Wir sprechen über unsere Sexualität. Ich erzähle ein bißchen über mich, er erzählt ein bißchen über sich. Es ist alles ganz unproblematisch, darüber zu reden. Ich sage ihm, daß ich es unheimlich schön mit ihm finde. Als er mich fragt: «Hast du das Gefühl, daß es schwierig werden könnte mit mir?» antworte ich ganz spontan und radikal:
«Da will ich nicht drüber nachdenken!»
Es ist schön mit ihm. Was soll ich meine Gedanken darauf verschwenden, ob es schwierig werden könnte ?
Und dann sagt er noch... nicht seine letzte Freundin, aber die Frau, mit der er davor zusammen war... «die hat ganz, ganz selten einen Orgasmus gekriegt, wenn sie mit mir geschlafen hat. Ich weiß nicht, ob das an mir lag.»
Wieso weiß er nicht, ob das an ihm lag? Hat er da mit ihr nicht drüber geredet? Frau kann ja nun auch anders einen Orgasmus kriegen als beim Zusammenschlafen. Einige Frauen finden das sogar schöner. Trauen sich nur nicht, das zu sagen; die «normale» Art der Sexualität in Frage zu stellen. So ratlos, wie er das sagt, scheint er da nicht sehr offen mit der Frau drüber geredet zu haben.
Arne geht aufs Klo. Als er wiederkommt, will er kickern. Da haben ihn welche gefragt, ob er mitmacht. Ein, zwei Spielchen nur. Ich bin frustriert. Ich hab keinen Bock, hier zu sitzen und zu warten, bis er ausgekickert hat. Andererseits... wenn er Bock auf Kickern hat... «sich nicht gegenseitig
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