Der Tod des Maerchenprinzen
will, sondern nur darauf warte, daß sich vielleicht ein paar Streicheleinheiten ergeben.
Als Arne aufwacht, drehe ich mich zu ihm um. Überlege, ob ich mich jetzt trauen soll, ihn zu umarmen. Nachher erwidert er meine Zärtlichkeiten wieder nicht. Vielleicht sollte ich lieber warten...1 vielleicht umarmt er mich ja von sich aus. Als ich mich ganz erwartungsvoll zu ihm hindrehe, meint Arne: «So!» und setzt sich ruckartig auf. Ich bin frustriert. Aber mir ist das auch peinlich. Ich habe zwar nichts gesagt, aber trotzdem war es offensichtlich, daß ich mich ihm «angeboten» habe. Und er hat mich «verschmäht». Und dann überspiele ich die Situation mit einer locker verkrampften Bemerkung, daß er ja sehr abrupte Bewegungen drauf hätte oder so. j
Ich bin nicht schwanger. Ich habe meine Tage. Heute und die nächsten drei Tage geht es noch ohne Verhütungsmittel. Die Sache ist immer noch nicht geklärt. Er hat sich neulich meinen Vortrag angehört, daß er mitrechnen soll, und seitdem hat er nichts mehr dazu gesagt. Er fragt auch überhaupt nicht mal nach, wie denn das nun ist mit der zweiten Tabelle. Ich hab mich nicht getraut, sie ihm einfach so in die Hand zu drücken. Am Morgen nach der letzten Verhütungsdiskussion hat er mit mir geschlafen. Ohne zu fragen. Freiheit statt Verhütung! Nichts mit Mitrechnen und so! Er hat sich darauf verlassen, daß ich das schon im Kopf habe, wenn ich mit ihm schlafe. Ich habe mit ihm geschlafen. Ich hatte keine Lust, zum fünftenmal das leidige Thema anzusprechen. Zumal es ja nicht nötig war zu der Zeit. Aber nun wird es wieder nötig. In vier Tagen wird es wieder nötig.
Mir ist neulich eine Idee gekommen. Mit Arne kann ich mir alles schön vorstellen. Vielleicht auch eine andere Sexualität, als unbedingt zusammen zu schlafen während der gefährlichen Zeit. Andere machen doch auch «Petting» und finden das sehr schön. Warum betrachte ich das als Ersatzbefriedigung? Warum sage ich: Lieber gar keinen Orgasmus als so einen? Mir wird klar, daß diese «Petting»-Orgasmen nie Ausdruck einer gemeinsamen Sexualität waren. Daß sie immer der Trostpreis für mich waren, wenn die Typen vorher über mich hinweggevögelt haben. Daß es keine organische Erklärung dafür gibt. Daß ich mich halt angeschissen fühle, wenn einer erst mal in mir rumrammelt und mich dabei vergißt. Das kann keine noch so revolutionäre Sexualtechnik vertuschen. Ich will keinen Orgasmus, weil ich ein «Recht» darauf habe. Ich will eine gemeinsame Sexualität. Und wenn die Typen dazu nicht in der Lage sind, dann können sie es sich schenken, mich hinterher zu «befriedigen». Ich will nicht in erster Linie einen Orgasmus. Ich will in erster Linie eine gemeinsame Sexualität. Wirklich mit jemanndem zusammen sein. Dabei ist die Form des Zusammenseins wirklich nebensächlich. Ich habe plötzlich das Gefühl, mit Arne ginge das. Mit Arne kann alles schön sein. Ich verstehe gar nicht, wieso ich da nicht eher draufgekommen bin. Mit Arne ist es doch wirklich egal, was ich mit ihm mache. Hauptsache, ich bin mit ihm zusammen. Es wäre bestimmt unheimlich schön. Ich muß mit ihm darüber sprechen.
Elbspaziergang.
Arne hat beide Hände in den Hosentaschen. Wenn ich meine Hand in seine schiebe oder mich bei ihm einhake, läßt er mich. Bis er seine Hand beim Reden für irgend ’ne Geste gebraucht. Danach landet sie wieder in der Hosentasche. Ich muß sie mir neu erkämpfen.
Es ist mühsam, aber ich gebe nicht auf. Weshalb will er sich denn nicht von mir anfassen lassen? Ich will mit ihm ein Gespräch über Sexualität anfangen, und das fällt mir schwer genug. Wenn jetzt auch noch diese körperliche Distanz dazukommt... ich krieg den Mund nicht auf. Ganz lange.
Wir reden über irgend etwas , was mich jetzt gar nicht interessiert. Ich will mit ihm über was anderes reden. Das Thema anzuschneiden fällt mir schwer genug. Dafür jetzt auch noch ganz direkt sagen zu müssen: Du, laß uns dieses Gespräch mal abbrechen. Ich möchte mit dir über was anderes reden. Das bring ich erst recht nicht.
Irgendwann schläft die Unterhaltung dann von alleine ein. Jetzt könnte ich. Los, anfangen, bevor er wieder ein anderes Thema anschneidet.
Ich kann nicht. Ich kann nicht. Ich kann nicht. — Minutenlang ringe ich mit mir. Dann... endlich bringe ich die ersten Sätze über die Lippen. Rede was von Sexualfeindlichkeit der Neuen Linken. Erinnere ihn an das, was er in unseren ersten Diskussionen gesagt hat. Daß er
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