Der Tod des Maerchenprinzen
nur...
Arne begreift nichts. Will nichts begreifen. Kommt mir wieder damit, daß es aber auch der Mann sein kann und daß es doch drauf ankäme, wie er sich in der Beziehung verhält.
Ich geb’s auf. Was mach ich falsch, daß er mich nicht versteht? Wo ist der Punkt, an dem wir aneinander vorbeireden?
In der Kneipe unterhalten wir uns erst mal über belanglosere Dinge. «Welche Augenfarbe hast du eigentlich?» frage ich ihn, weil ich sie immer für braun gehalten habe und sie mir eben plötzlich grün Vorkommen. Er sagt auch, daß es beides sei. Braun und grün. «Also khaki», lache ich. Ein hartes, bitteres, aufgesetztes Lachen. Ein Lachen, das ihm zeigen soll: Du hast mich nicht verletzt. Du schaffst es nicht, mich mit deiner Gefühllosigkeit kleinzukriegen. Ein Lachen, das sagt: Ich habe keine Gefühle. Ich bin nicht so abhängig von dir, daß die Tatsache, daß du mir eiskalt sagst, du seist nicht in mich verknallt, mir das Lachen verschlägt. Bilde dir bloß nicht ein, du könntest mich traurig machen.
«Also khaki!» lache ich ihm hart entgegen. Die Situation plump überspielend. Und genauso geht er darauf ein: «...so ’ne Scheißfarbe hab ich», lacht er.
Ich lache mit ihm. Dabei bin ich verletzt. Tief verletzt. Ich habe einem Menschen gerade meine Gefühle offenbart. Meine ganz starken und tiefen Gefühle für ihn. Und habe als Antwort erhalten: «Ich bin nicht in dich verknallt!» Und jetzt sitze ich hier und lache mit ihm darüber, daß seine Augen khakifarben sind. Wie verlogen! Warum habe ich nicht geschrien: Aber ich! Ich bin in dich verknallt, Mensch. Begreif das doch mal. Daß wir hier nicht eine theoretische Diskussion darüber führen, ob Männer sich genauso unglücklich verlieben können wie Frauen, sondern daß ich... ich ... dir gerade meinen Abgrund an Gefühlen offenbart habe und du... du... mir brutal und gefühllos zu verstehen gegeben hast: «Na und? Ich aber nicht.»
Nach einer Weile sage ich dann, daß mir jetzt klargeworden ist, weshalb wir uns eben nicht verstanden haben. Daß es bisher immer so war, daß die Typen gesagt haben, ich bin nicht in dich verknallt und dann abgehauen sind.
«Aber so verhältst du dich ja gar nicht. Du haust ja gar nicht ab.»
«Nee, eben», sagt er. «Das meinte ich ja, wenn ich sage, es kommt drauf an, wie ich mich in der Beziehung verhalte.»
Ich atme auf. Ich hab die Lösung gefunden. Er ist zwar nicht in 0 iich verknallt, aber er bleibt ja bei mir.
Als wir nach Hause gehen, glaube ich selber daran, daß ich damit zufrieden bin. Als ich zwei Tage später auf meinem Bett liege und nachdenke, fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Mir kommen die ersten Tage mit Arne hoch. Wie schön das alles war. Und mir wird plötzlich klar, daß ich seine Zärtlichkeit verloren habe. Daß ich die ganze Zeit daran vorbeigucken wollte, daß alles total abgekiihlt ist. Daß ich seine verliebten Augen schon ganz lange nicht mehr gesehen habe. Ich weine. Stundenlang liege ich auf meinem Bett und weine. Jede Einzelheit kommt wir wieder ins Bewußtsein. Jede Einzelheit. Alles, was so schön mit ihm war. Wie er mich angesehen hat, als wir zusammen geschlafen haben. Die ersten Stunden mit ihm. Wie er mich angepliert hat, wenn er sich bei mir angeschmust hat. Wie lieb er war. Und ich kann nur noch weinen.
Aber dann reift in mir der Entschluß, ihm einen Brief zu schreiben. Gleich morgen.
Ich gehe am nächsten Tag nur ein paar Stunden zur Arbeit. Nehme mir den ganzen Nachmittag für diesen Brief Zeit:
Hamburg, den 12.10.79
Lieber Arne!
Mir ist heute nacht klargeworden, was eigentlich in den letzten vier Wochen mit uns gelaufen ist und daß es so wie jetzt nicht weitergeht. Die ganze Nacht und heute morgen auf der Arbeit wußte ich noch Satz für Satz, was ich Dir schreiben wollte, und jetzt weiß ich nicht mehr, wo ich anfangen soll.
Vielleicht am besten damit, daß Du nicht in mich «verknallt» bist, wie Du es nennst. So wie Du Dich mir gegenüber verhältst, kann ich das nur bestätigen. Das war auch die Ursache dafür, daß ich von einem bestimmten Zeitpunkt Dir gegenüber den Mund nicht mehr aufgekriegt habe. Ich habe einfach gespürt, daß Du mich nicht mehr an Dich ranläßt, abschottest, mir plötzlich mit einer Gefühlskälte entgegentrittst, die ich nicht einordnen konnte. Am Anfang ist sie mir noch nicht mal bewußt aufgefallen. Ich habe nur unterschwellig gemerkt, daß etwas «nicht in Ordnung» war, daß Wir schon nach zwei Wochen
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