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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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zu erinnern. Hast Du das vergessen oder willst Du es vergessen?
    Sagst Du immer noch, daß sich nichts geändert hat, daß Du nicht in mich verliebt warst?

    Gefühle machen angreifbar, verletzlich, sicher, aber sie müssen nicht schwach machen. Ich riskiere eine Enttäuschung, wenn ich mich verliebe. Aber ich verbaue mir die Möglichkeit, so etwas wie mit Dir die ersten Tage zu erleben, wenn ich mir verbiete, mich zu verlieben. Und dazu ist es mir einfach zu schön. Ich kann mich kaum noch erinnern, wann ich mich zuletzt so wohl gefühlt habe mit je-manndem, es passiert nicht oft, alle paar Jahre mal, aber wenn es passiert, will ich es ausleben, genießen.
    Ich habe mich zum erstenmal nach langer Zeit mit jemanndem, mit dem ich abends ins Bett gehe, auch am nächsten Morgen noch wohl gefühlt. Das ist mir seit eineinhalb Jahren oder noch länger nicht mehr passiert. Und genau dieses, «sich am nächsten Morgen noch wohl fühlen», drückt bei mir aus, ob ich wirklich mit jemanndem zusammen war. Und es war mir am Abend bevor Du kamst schon klar, daß es so werden würde. Ich hatte zum erstenmal seit langer Zeit die Gewißheit: Es wird schön mit ihm.

    die woge
    die uns heute nacht fortriß
    wirft uns am morgen
    an den Strand.

    im warmen sand
    erwachen wir
    und taumeln
    hand in hand
    der sonne entgegen.

    Das hab ich nach der ersten Nacht mit Dir geschrieben, und es gibt nichts, was ich heute anders sehen würde, nur — auch die Sonne geht am Abend wieder unter, und der Sand wird kalt.
    Als ich vorhin die Gedichte meiner Freundin durchgeblättert hab, hab ich noch eins gefunden, das sehr gut beschreibt, wie ich mich im Moment mit Dir fühle:

    vor uns die luft
    zerfließend in feuer
    hinter uns die luft
    erfrierend in blau

    wir tranken
    roten wein
    eingehüllt
    in das zarte lachen
    der nacht.

    gegen morgen blieb
    graue asche
    kühle dämmerung
    fahler sand

    Wenn ich schon soweit bin, kann ich Dir auch alles schreiben. Für mich gibt es kein Zurück mehr. Wenn es für mich noch einen Weg zu Dir gibt, dann besteht der daraus, Dir alles zu sagen, was in meinem Kopf vorgeht.
    Eingehüllt in das zarte Lachen der Nacht.
    Ich habe noch Dein Lachen im Ohr, als wir das erste Mal zusammen geschlafen haben. Ich sehe noch Deine Augen vor mir, wie wir das erste Mal zusammen geschlafen haben. Ich erinnere mich noch an alles, was Du gesagt hast, als wir das erste Mal zusammen geschlafen haben. Es ist schön, daß ich jetzt wenigstens wieder weiß, daß man so zusammen schlafen kann und daß ich im Moment alles andere nicht mehr will.
    Ich habe zum erstenmal seit Jahren keine «sexuellen» Bedürfnisse mehr. Ich werde warten, bis mir wieder so was wie mit Dir «passiert». Und ich kann jetzt zum erstenmal traurig sein und weinen, daß es schön war mit Dir.

    Und was will ich jetzt von Dir, mit Dir?
    Ich habe kein Patentrezept. Ich will an der «Lösung» all der Probleme auch nicht alleine basteln (falls es eine gibt). Ich kann nicht von Dir verlangen, daß Du mir gegenüber Gefühle hast, aber ich kann verlangen, daß Du mit Deinen Gefühlen offener umgehst. Ein Ansatzpunkt ist dazu auch, in Deinem Kopf klarzukriegen, was da am Anfang bei Dir war und wie sich das entwickelt hat.
    Ich wollte eigentlich noch viel mehr schreiben, aber ich hab schon hier das Gefühl, daß ich bei einigen Sachen die Zusammenhänge nicht klar genug hingekriegt habe. Aber wie gesagt, ich kann nicht alleine unsere Beziehung analysieren.
    Warum ich Dir das schreiben mußte?
    Zum Teil wirklich, weil ich nicht mehr mit Dir reden konnte, weil ich alleine meine Gedanken erst mal ordnen kann, weil ich bei Deiner Coolheit im Gespräch gar nicht mehr wage, noch Gefühle von mir rauszulassen. Und so bin ich erst mal mit mir, meinen Gefühlen und dem Briefpapier alleine und fühl mich nicht durch Dich gleich so abgeblockt.
    Ich möchte mich erst wieder mit Dir treffen, wenn Du Dir zu diesem Brief Gedanken gemacht hast und wir darüber sprechen können. Ich hab im Moment keine Lust mehr, diese «Gewohnheitsehe» so fortzusetzen, solange wir über diese Sachen nicht gesprochen haben — bzw. die «Gewohnheitsehe» fortzuführen, bin ich sowieso nicht bereit. Wenn es weitergehen soll, müssen wir (das bist Du und ich) uns schon was anderes überlegen.

    Gruß und (wenn du möchtest) Kuß

    Ich bringe den Brief am Abend zu der Adresse, wo er jetzt überwiegend wohnt. Wenn ich Pech habe, kommt er erst morgen wieder dahin. Schläft heute nacht vielleicht woanders.

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